Ich bin gerade über einen NZZ-Artikel aus der Sonntagsausgabe (12.06.05) gestolpert. Darin heisst es, die finanziellen (Mehr-)Erwartungen der SBB nach Bahn 2000 seien bisher noch nicht erfüllt worden. Der entstandene Mehrverkehr an Passagieren ergibt sich demnach durch die Abo-Fahrer, welche mehr Fahrten durchführen. Könnte dann wohl sein, dass mal das GA teurer wird.
ZitatAlles anzeigen12. Juni 2005, NZZ am Sonntag
Die Bahn 2000 steckt im Finanzloch
Einnahmen halten mit Zusatzaufwendungen nicht Schritt - höhere Passagierzahl beruht auf AnnahmenDie SBB stellten diese Woche den Betrieb der Bahn 2000 als grossen Erfolg dar. Dabei sind die Mehreinnahmen gering - und die Mehrausgaben sind hoch. Ein SBB-Finanzcontroller ist alarmiert.
Francesco Benini
Im firmeninternen Informationsblatt der SBB-Betriebsabteilung Personenverkehr schlägt der Finanzcontroller, Nicolas Ecoffey, Alarm. Der Monat März sei mit einer bedeutenden Abweichung gegenüber dem Budget abgeschlossen worden. «Zu hohe Kosten, zu wenig Einnahmen, die Lage muss als sehr ernst angesehen werden», schreibt Ecoffey Anfang Juni. Er weist darauf hin, dass die ganze Division Personenverkehr huste, wenn sich «Operating» - die Betriebsabteilung - erkälte. Diese Abteilung beschäftigt die Hälfte der 11 000 SBB-Angestellten im Personenverkehr und verursacht zwei Drittel der Kosten dieser Division.
Enttäuschende ZahlenSeit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2004 legen 12 Prozent mehr Züge 14 Prozent mehr Zugkilometer zurück. Dadurch erhöhen sich für die SBB auch die Ausgaben erheblich. Der Leiter Personenverkehr, Paul Blumenthal, beziffert allein den Kostenanstieg für die Benützung der Trassees auf 100 Millionen Franken pro Jahr. Das Geld soll durch zusätzliche Passagiere hereingeholt werden, die mehr Fahrausweise lösen. Bisher ist die Entwicklung in dieser Hinsicht enttäuschend - auch wenn SBB-Vertreter vor wenigen Tagen an einer Medienkonferenz das Gegenteil behaupteten.
Mit dem Fahrplanwechsel erhöhten die SBB ihre Tarife im Durchschnitt um 3,5 Prozent. Wenn die Anzahl Bahnpassagiere konstant bleibt, ist davon auszugehen, dass die Einnahmen der SBB in ähnlichem Ausmass ansteigen. Die SBB gaben aber bekannt, dass die Zahl der Passagiere im überregionalen Verkehr seit vergangenem Dezember um nicht weniger als 7,5 Prozent zugenommen habe; zwischen Bern und Zürich seien sogar 11 Prozent mehr Bahnreisende unterwegs. Zu erwarten wäre also ein kräftiger Einnahmenanstieg - es gibt ihn jedoch nicht. Wie Paul Blumenthal, Mitglied der SBB-Geschäftsleitung, auf Anfrage bestätigt, haben die SBB seit dem Fahrplanwechsel 3,7 Prozent Mehreinnahmen registriert. Mit andern Worten: Die Tariferhöhung hat sich bemerkbar gemacht, weitere Zusatzeinnahmen durch mehr verkaufte Fahrausweise sind jedoch vollständig ausgeblieben.
Zu diesem Ergebnis passt die Aussage von SBB-Mediensprecher Roland Binz, wonach die SBB «davon ausgehen, dass Abo-Besitzer mehr Zug fahren». Die höhere Passagierzahl basiert also auf einer Annahme und nicht auf Tatsachen. Es ist möglich, dass die Zahl der Passagiere seit dem Fahrplanwechsel um deutlich weniger als 7,5 Prozent angestiegen ist. Den SBB war nach einem halben Jahr Bahn 2000 daran gelegen, Imagepflege in eigener Sache zu betreiben. Und: Wenn es zutrifft, dass die Besitzer von Abonnementen häufiger Zug fahren, dann nehmen die SBB nicht einen zusätzlichen Franken ein. Nach der Angebotserweiterung steigen also für die SBB die Kosten stark, die Einnahmen hingegen bisher kaum - Alarmrufe wie jene des Finanzcontrollers in der Division Personenverkehr erstaunen da nicht.
Paul Blumenthal spricht denn auch von einer «Durststrecke», die man jetzt zurücklegen müsse. «Das ist eine sehr grosse Herausforderung, aber wir werden sie meistern», sagt er. Die SBB seien davon ausgegangen, dass in den ersten drei Jahren nach dem Start der Bahn 2000 die Kosten stärker ansteigen würden als die Einnahmen. Blumenthal weist darauf hin, dass die SBB die Preise für Jahresabonnemente monatsweise abrechneten und darum die höheren Tarife noch nicht voll zu Buche schlügen. Es gebe hier eine Verzögerung, die das Ergebnis zurzeit schlechter aussehen lasse, als es effektiv sei. «Erst nach einem Jahr profitieren wir im vollen Ausmass von den Preisaufschlägen», sagt Blumenthal. Er betont, dass sich der Bereich Personenverkehr per Ende April insgesamt im Rahmen des Budgets bewegt habe.
«Zu wenig einkassiert»Diese Aussage liegt im Widerspruch zum Befund des SBB-Finanzcontrollers, der festhält, dass zu wenig einkassiert werde «gegenüber dem, was budgetiert ist». Blumenthal verweist in diesem Zusammenhang auf Wagen der SBB, die zu allzu günstigen Konditionen ins Ausland vermietet worden seien. Dies habe zu einer Budgetunterschreitung geführt, die korrigiert werden müsse. Mit dem Betrieb der Bahn 2000 habe das aber nichts zu tun.
Im Verkehrsdepartement von Bundesrat Leuenberger ist nichts darüber bekannt, dass sich die Bahn 2000 bisher finanziell unter den Erwartungen bewege. «Es besteht für uns im Moment kein Grund zum Eingreifen», sagt Leuenbergers Mediensprecher Hugo Schittenhelm. Das Departement werde aufmerksam verfolgen, wie sich die Bahn 2000 weiterentwickle.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2005/06/12/il/articleCW61R.html