Kommt der Zug, oder kommt er nicht? Schaffhauser Nachrichten, Region, 12.12.2007
Er pendelt werktäglich mit dem Zug von Neunkirch zur Arbeit in die Stadt. Da hat er als Benutzer des öffentlichen Verkehrs etwas zu erzählen vom Warten, von zu wenig Sitzplätzen und von bereitliegenden Entschuldigungsschreiben.
VON Theo Kübler
Neunkirch Nur zögernd verlassen die Passagiere das Transportfahrzeug, einen über alle Fensterscheiben hinweg mit Reklame überklebten Bus. Er ist soeben vor dem Bahnhof Neunkirch vorgefahren, ein Fahrzeug der SüdbadenBus GmbH.
Noch etwas klamm stolpern sie über immense verfaulende, glitschige Laubansammlungen und mischen sich stumm und fröstelnd unter die bereits Wartenden auf dem Bahnsteig.
Nun wird es spannend: Kommt er oder kommt er nicht? - Und siehe da, er kommt! Es kommt aber nicht der Zug, auf den alle warten, es ist der Bahnhofvorstand, der da ins Freie tritt und etwas zu verkünden hat. Ist wieder mal der Lokführer krank oder im Streik, will das veraltete Rollmaterial wieder mal nicht rollen, oder kommt er ganz einfach nicht? (Alles schon passiert!)
Gott sei Dank! «Unsere» Eisenbahn funktioniert, doch der Zug nach Basel hat Verspätung. Da nur ein Gleis nach Schaffhausen führt, müssen wir warten. Doch schon nach 15 Minuten haben wir alles ausgestanden da draussen auf dem Bahnsteig oder vor dem Nieselregen geschützt in den modernden Laubhaufen unter dem Dach zwischen den Velos. Einige Warmduscher flüchteten sich beim Erscheinen des Bahnangestellten eiligst in den kleinen, geheizten Schalterraum. Wenigen gelang es, ihr Gesäss auf die feuchte Bank an der verschmierten Betonwand zu kleben. Warten ... warten.
Es quietscht und rattert, ein Signal bewegt sich, Läuten und Blinken beim Bahnübergang - die Zeichen stehen gut. Tatsächlich, da kommt ein Gefährt herangefahren. Von einem Zug zu sprechen wäre schon etwas übertrieben, doch es hat Türen, durch die man klettern kann, und im Innern gibt es Sitzgelegenheiten.
Natürlich nicht für alle, doch das wäre schon etwas viel verlangt, müsste man doch den «Zug» um ein Segment länger machen, auf ganze drei Wagen. Abgesehen davon kann man ja ohne weiteres in den Gängen zwischen den Sitzen stehen, die sind so schön eng, dass ein Hinfallen kaum möglich ist.
Doch das Wichtigste, das Ding fährt. Ab Beringen «rapschelt» ein Rucksack an meinem Ohr. Einer, der nicht so viel Glück hatte wie meine Wenigkeit, die sitzen kann, steht quer im Gang. Mit schräg geneigtem Kopf kann ich sogar immer noch in meinem Buch lesen, super, was will ich denn noch mehr.
Jetzt fehlt nur noch der freundliche Herr, der sich alle paar Wochen mit Schreibstift und Papier an die Passagiere heranpirscht mit der Frage, ob es eventuell irgendetwas gäbe, das bei ihrer Bahn noch verbessert werden könnte ...
Kann nun passieren, was da will, wir sind so oder so bald in Schaffhausen. Dass wir mitten auf der Strecke zu Fuss durch den Schnee zum nächsten Bahnhof laufen müssen, weil der Triebwagen ausgefallen ist, wie damals zwischen Neunkirch und Beringen, passiert uns wohl kaum.
Jetzt könnte der Lokführer unser Fahrzeug ganz einfach hinunterrollen lassen, vorbei am zukünftigen Galgenbucktunnel nach Schaffhausen - ein beruhigendes Gefühl.
Doch so weit kommt es nicht. Zwar sind einige Anschlusszüge ab Schaffhausen schon längst abgefahren, die Schüler aber unter den Passagieren haben alle eines der datierten und gestempelten Blätter mit sich, die stapelweise bei den Schaltern an der Strecke bereitliegen, um die Verspätung bei den Lehrern entschuldigen zu können. Ich schlage mein Buch zu, «Die Seidenstrasse» von Sven Hedin, 1936 - seine Reise dauerte noch länger ...