SBB als Besitzer der grössten Baulandreserven in Zürich/Stadtentwicklung

  • Quelle: NZZ, 23. Dezember 2008


    Hinter den Gleisen machen die SBB ihr Land zu Geld

    Bahn will in Zürich über 2,4 Milliarden Franken in Bauprojekte investieren

    Die SBB sind im Besitz der wohl grössten Baulandreserven der Stadt Zürich. Auf den Grundstücken sollen in Zukunft Büros, Wohnungen und Läden entstehen. Linke und Genossenschaftsvertreter fordern eine öffentliche Debatte über die künftige Nutzung der «Filetstücke».

    Demnächst werden die ersten Arbeiten für den Stadtraum HB in Angriff genommen. Dort investieren die Bahn und andere insgesamt rund 1,5 Milliarden Franken. Dieses Vorzeigeprojekt ist allerdings nur das erste und grösste in einer ganzen Reihe von Bauvorhaben, wie Andreas Steiger, der zuständige Projektleiter der SBB, erklärt. Die SBB besitzen in der Stadt Zürich noch weitere grosse Landflächen, die meist zentral gelegen und – durch die Bahn – hervorragend erschlossen sind. In Zukunft sollen sie dem Standort entsprechend genutzt werden und Geld in die SBB-Kasse spülen. Verwendet werden die Einkünfte zur Sanierung der eigenen Pensionskasse.

    Westlink und Letzibach in Altstetten
    Am weitesten fortgeschritten ist das Projekt Westlink – wenn man vom Polizei- und Justizzentrum absieht, das auf das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs zu liegen kommen wird. Westlink ist eine 20 000 Quadratmeter grosse Parzelle neben dem Bahnhof Altstetten, wo dereinst auch die verlängerte Tramlinie 4 wenden wird. Entstehen sollen hauptsächlich Büros für die SBB, aber auch 7000 Quadratmeter Wohnfläche und 1500 Quadratmeter Läden.
    Den Architekturwettbewerb hatte das Zürcher Büro Birchmeier Uhlmann zusammen mit Park Architekten gewonnen. Die Realisierung hätten die SBB aber dem Zürcher Atelier Wäschle Wüst übertragen, sagt Steiger. Wie bei den meisten ihrer Projekte wollen die SBB das Areal Westlink bis zur Baureife entwickeln und dann Investoren suchen. Nur einige wenige sogenannte Triple-A-Projekte, die wie der Stadtraum HB direkt neben grossen Bahnhöfen gelegen sind, verbleiben laut Steiger im Portefeuille der Bahn.
    Zwischen dem Bahnhof Altstetten und dem Hauptbahnhof erstreckt sich entlang der Hohlstrasse ein ganzer Streifen Land, der den SBB gehört und in den nächsten Jahren entwickelt werden soll. Für das 11 000 Quadratmeter grosse Areal Letzibach C läuft zurzeit ein Architekturwettbewerb. Hier sollen vor allem Mietwohnungen entstehen. Auch auf dem Teilareal D ist Wohnungsbau geplant, allerdings erst zwischen 2014 und 2018.

    Hauptwerkstätten werden teilweise frei
    Stadteinwärts schliessen die SBB-Hauptwerkstätten ans Letzibachareal an. Für dieses Gebiet wird gegenwärtig eine Testplanung vorbereitet. Die Ausgangslage ist hier komplizierter. Einerseits wird ein Teil weiterhin für Bahnnutzungen benötigt. Andererseits sind die alten Hallen zumindest teilweise Denkmalschutzobjekte. Dennoch soll auch die Hälfte dieses 90 000 Quadratmeter grossen Areals in 5 bis 10 Jahren überbaut sein. In die Hallen, die stehen gelassen werden, könnten Industrie- und Gewerbebetriebe einziehen, Zwischennutzungen oder beispielsweise ein Baumarkt, erläutert Steiger.
    Darum herum bleibe Platz für Wohnungen und weitere Nutzungen. Noch völlig offen ist die künftige Nutzung des Rohmbe-Areals (Rohmbe steht für Rohmaterialbereitstellung). Hier bestehen Baurechte bis 2025, mittelfristig soll aber auch auf diesem Gebiet, das ans geplante Polizei- und Justizzentrum des Kantons grenzen wird, etwas Neues entstehen. Und auf dem sogenannten Kohledreieck baut das Architekturbüro Ballmoos Krucker Büros für die SBB-Baudienste.

    Auch in Oerlikon und Wollishofen
    Im Stadtraum HB soll im nächsten Mai der Grundstein für die neue pädagogische Hochschule gelegt werden. In weiteren Etappen werden ein Streifen entlang der Lagerstrasse bis zur Langstrasse und zwei Parzellen auf der anderen Seite des Bahnhofs an der Zollstrasse neu überbaut. Auch hier dürfte ein Nutzungsmix aus Büros, Läden und Wohnungen entstehen.
    Im Vergleich zu den Projekten im Stadtzentrum nehmen sich die Parzellen, die bei den anderen Bahnhöfen zur Verfügung stehen, bescheiden aus. Beim Bahnhof Tiefenbrunnen soll ein Areal von 4000 Metern Grösse, auf dem sich heute eine Parkierungsanlage befindet, entwickelt werden. In Oerlikon steht direkt an den Bahngleisen ein 5400 Quadratmeter grosser Streifen an der Hofwiesenstrasse zur Verfügung sowie ein Dreieck an der Andreasstrasse. Hier hat die Planung noch nicht begonnen. Besonders die Andreasstrasse liegt den SBB aber am Herzen, da dieses Gebiet zu einem attraktiven Tor zum Leutschenbachareal werden soll. Auch in Wollishofen kann neben dem Bahnhof ein 5000 Quadratmeter grosses Areal überbaut werden.
    So erfreulich es ist, dass bisher unzugängliche SBB-Areale einer neuen Nutzung zugeführt werden: Nicht alle sind glücklich über die Pläne der Bahn. Niklaus Scherr, Gemeinderat der Alternativen Liste, kritisiert, dass die Planung hinter verschlossenen Türen stattfinde, und hat einen entsprechenden Vorstoss im Stadtparlament eingereicht. Die SBB seien ein öffentlicher Betrieb, und bei den Grundstücken handle es sich nicht um x-beliebiges privates Eigentum, begründet er seine Kritik. Das Land sei in den Zeiten des Bahnbaus teilweise enteignet worden. Wenn es nicht mehr für die Zwecke der Bahn benötigt werde, so sei zumindest eine öffentliche Debatte über diese «Filetstücke» anzustreben.
    Ausserdem hätten die Steuerzahler die Infrastruktur, welche die Standortgunst der Grundstücke ausmache, kräftig mitfinanziert. Es sei daher stossend, wenn die SBB jetzt ihren Profit maximieren wollten. Darauf entgegnet Steiger, die SBB seien sich ihrer Verantwortung bewusst und stellten gemeinsam mit der Stadt über Wettbewerbe sicher, dass eine hohe städtebauliche Qualität und eine durchmischte, nachhaltige Nutzung entwickelt würden. Die SBB würden die Planungsprozesse transparent gestalten und den Kontakt zu den verschiedenen Anspruchsgruppen pflegen.

    Keine Chance für Baugenossenschaften
    Unzufrieden mit der Planung der SBB sind auch die Baugenossenschaften, wie Peter Schmid, Präsident des Vereins für Wohnungswesen, erklärt. Genossenschaften haben zunehmend Mühe, in der Stadt noch Land zu finden, möchten aber ihren «Marktanteil» bei den Mietwohnungen halten. Schmid sagt, er hätte erwartet, dass die SBB als öffentliche Institution einen Teil des Landes für genossenschaftlichen Wohnungsbau zur Verfügung stellen würden. Da die Bahn aber die maximale Rendite erzielen wolle, fielen die Genossenschaften an diesen Lagen aus dem Rennen.
    Er hofft, dass die Stadt den SBB im Rahmen der notwendigen Umzonungen Bedingungen stellen wird. Ein Teil der Planungsgewinne könnte dazu verwendet werden, gewisse Parzellen günstiger an Genossenschaften abzugeben, schlägt er vor.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: Tages-Anzeiger, 16. Januar 2009


    Neunutzung von SBB-Brachland

    Zürcher Stadtparlament fordert Runden Tisch

    Über die neue Nutzung der nicht mehr benötigten SBB-Areale auf Zürcher Stadtgebiet soll ein Runder Tisch diskutieren. Das Stadtparlament überwies ein entsprechendes Postulat.

    An einem Runden Tisch sollen Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, SBB und Quartier- und Interessensverbänden zusammenkommen. Der Stadtrat zeigte sich bereit, die ursprünglich als Motion eingereichte Forderung in der weniger verpflichtenden Form eines Postulats entgegenzunehmen. Die Hochbauvorsteherin Kathrin Martelli drückte in der Debatte ihr Unbehagen gegen die momentane Politik von SBB-Immobilien aus, bei der es nur noch um finanzielle Rendite gehe.
    Der Gemeinderat überwies das Postulat mit 77 Ja- zu 40 Nein-Stimmen. Dagegen waren FDP und SVP. Zuviele Köche verderben den Brei, war die Begründung der SVP. Mit einem weiteren Postulat, das mit 67 Ja- zu 50 Nein-Stimmen überwiesen wurde, soll der Stadtrat die SBB in die Pflicht nehmen, damit diese eine Offene Planung ermöglicht.
    Allein zwischen Hauptbahnhof und Altstetten verfügen die SBB über rund 50 Hektaren Land, das in den nächsten Jahren nicht mehr für bahnbetriebliche Zwecke benötigt wird, wie es im Postulat der Alternativen Liste (AL) heisst. Bereits verplant sind die zentrumsnahen Stücke Stadtraum HB und Güterbahnhof.
    Die AL fordert für die Planung der anderen Gelände mehr Partizipation und Transparenz.
    Es gehe darum, zu einem Zeitpunkt mitzudiskutieren, an dem es noch etwas mitzubestimmen gebe, hiess es von Seiten der SP.
    Die SBB solle dabei freundlich, aber bestimmt und sehr deutlich auf ihre Verantwortung hingewiesen werden, führte der Sprecher der Grünen aus.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: Tages-Anzeiger, 20. Januar 2009


    «Nicht wie eine gewöhnliche AG verhalten»

    Planung im Geheimen und Profitstreben - Zürcher Politiker aller Parteien kritisieren die SBB wegen ihrer Immobilienstrategie. Nun nimmt Urs Schlegel*, Chef der SBB- Immobilien erstmals Stellung.

    Herr Schlegel, die SBB besitzen am Gleisstrang die weitaus grössten Brachen in der Stadt. Wie gehen sie mit dieser Verantwortung um?
    Man muss relativieren. Es gibt in Zürich andere planbare Landreserven, zum Beispiel das Kasernenareal. Ausserdem sind derzeit nur zwei Fünftel unserer Grundstücke für neue Nutzungen freigestellt.

    Jetzt untertreiben Sie.
    Natürlich verfügen wir für Zürich über zentrale Flächen. Deshalb haben wir stets die enge Zusammenarbeit mit der Stadt gesucht und werden dies auch weiterhin tun, um die Interessen der Öffentlichkeit zu berücksichtigen.

    Das scheint nicht der Fall sein. Sogar Stadträtin Kathrin Martelli sagte kürzlich, die SBB betrieben eine «schwierige, rein profitorientierte Immobilienpolitik».
    Diese Äusserung hat uns überrascht. Bisher verlief die Zusammenarbeit sehr konstruktiv und einvernehmlich. Wir haben die Stadt in alle unsere Planungen eingebunden und immer für beide Seiten befriedigende Lösungen gefunden. Ich habe mit Frau Martelli nun ein Treffen vereinbart, um eine Standortbestimmung vorzunehmen.

    Verfolgen die SBB in Zürich eine Geheimplanung? Dies behauptet zumindest AL-Gemeinderat Niklaus Scherr.
    Dieses Schlagwort kann man gleich wieder vergessen. Aber wir nehmen die Kritik des Gemeinderates ernst und werden versuchen, unsere Kommunikation und die Zusammenarbeit mit den Quartieren weiter zu verbessern.

    Wie soll das geschehen?
    Das wollen wir gemeinsam mit den Verantwortlichen der Stadt erarbeiten. Wir könnten etwa verschiedene Interessengruppen zu Beginn einer Planung fragen: Was braucht das Quartier, was braucht die Stadt an diesen Orten? Solche Workshopverfahren haben wir schon beim Stadtraum HB durchgeführt.

    Ein weiterer Vorwurf lautet, die SBB würden versuchen, Profit und Auslastung so weit wie möglich zu erhöhen und dafür die Qualität vernachlässigen.
    Wir stehen zu unserem wirtschaftlichen Auftrag, maximieren unseren Gewinn aber nicht zulasten der Qualität. Beim Stadtraum HB haben wir die vom Gestaltungsplan erlaubte Dichte noch bei keinem Projekt ausgenutzt. Ausserdem haben wir dafür gesorgt, dass öffentlich zugängliche Erdgeschosse entstehen. Mit der Pädagogischen Hochschule haben wir einen Mieter verpflichtet, der das Viertel belebt und sicher nicht die höchstmögliche Rendite einbringt. Und wir investieren rund 35 Millionen in den öffentlichen Raum, der später kostenlos an die Stadt übergeht. Auch bei den Viaduktbögen, die wir an die Stiftung PWG abgaben, haben wir eine Lösung erreicht, die auf das Quartier Rücksicht nimmt.

    Warum entstehen im Stadtraum HB keine günstigen Wohnungen?
    Wir planen standortorientiert. An hochwertigen Orten wie dem zentralen Stadtraum HB erstellen wir hochwertige Projekte. Ausserdem bieten sich die unteren Geschosse im Stadtraum HB wegen der Lärmbelastung vor allem für Geschäfte und Büros an. Für Genossenschaften eignen sich solche gemischt genutzten Häuser nur bedingt. Aber auf anderen Grundstücken wie zum Beispiel dem Letzibachareal können wir uns die Kooperation mit Genossenschaften gut vorstellen. Ausserdem gibt es andere Wege, preiswerten Wohnraum zu ermöglichen. Das hat die Leopold-Bachmann-Stiftung auf dem Röntgenareal gezeigt. Grundsätzlich sind wir bereit, günstigen Wohnraum zu fördern, selbst wenn dies einen Ertragsverzicht bedeutet.

    Die SBB-Immobilien müssen einen Teil ihres Gewinns an weniger rentable SBB-Geschäftszweige abgeben. Wie viel?
    Etwa 150 Millionen gehen an SBB-Infrastrukturprojekte, das sind 60 Prozent des Gewinns. Die restlichen 40 Prozent fliessen in die Sanierung der SBB-Pensionskasse. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass der SBB sehr viele nicht rentable Bahnhofsareale gehören. Wir besitzen zwar einige wertvolle Grundstücke, aber auch viele abgelegene oder geschützte Objekte, die finanziell nichts einbringen oder sogar kosten.

    Welchen Druck übt diese Gewinnerwartung auf die Strategie der SBB-Immobilien aus?
    Die Renditeerwartungen beeinflussen unsere Planungen nicht direkt. Es ist nicht so, dass der Stadtraum HB dichter gebaut wird, weil die Pensionskasse Geld braucht. Das sind komplett getrennte Abläufe und Zeithorizonte. Unser Qualitätsbewusstsein wird durch die Gewinnansprüche nicht unterlaufen.

    Trotzdem macht es den Anschein, dass die SBB ihre Grundstücke in Zürich derzeit viel gezielter angehen. Lange Zeit passierte die Geleise entlang gar nichts.
    Das hat oft betriebliche Gründe, weil wir die Areale erst jetzt oder noch später von Bahnaktivitäten freimachen können. Beim Stadtraum HB kam dazu, dass wir auf die Entwicklung von Eurogate und den Wegzug der Sihlpost warten mussten. Aber es stimmt, dass der Bund als Eigentümer eine fokussierte Liegenschaftenpolitik erwartet, seit die SBB eine AG sind.

    Trotz dieses Status als AG nehmen viele Bürger die SBB als Staatsbetrieb wahr. Schliesslich wurden sie lange mit Steuern finanziert, und gewisse Grundstücke in Zürich erhielten sie vor über 100 Jahren geschenkt. Leiten Sie daraus eine Verpflichtung ab?
    Keine Verpflichtung im rechtlichen Sinn. Aber wir wollen und können uns nicht wie eine gewöhnliche AG verhalten. Wie gesagt, städtebauliche Qualität und durchmischte Nutzungen sind uns wichtig. Gerade in Zürich.

    Viele Parzellen verkaufen die SBB nach der Planungsphase. Warum?
    Wir können die meisten Neubauten aus finanziellen Gründen nicht selber halten. Aber wir wollen die Planung so lange steuern, bis wir Nutzungen und Aussehen der Gebäude verbindlich festgelegt haben. So stellen wir sicher, dass hochwertige Projekte entstehen.

    Momentan befinden sich SBB und Stadt Zürich im Clinch um den Bahnhof Affoltern. Keine der beiden Parteien will das neue Vordach bezahlen. Wie geht es weiter?
    Wir sind gerade daran, eine neue Lösung auszuarbeiten, die hoffentlich alle Beteiligten zufriedenstellen wird.

    * Urs Schlegel, 61, ist seit 1992 Leiter der SBB-Immobilien. Er hat Ökonomie studiert und arbeitet seit 1981 bei den SBB.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 16. März 2009


    Der Güterbahnhof harrt seines Schicksals

    Die einstige Lebensader der Stadt Zürich hat ausgedient und soll dem Polizei- und Justizzentrum weichen

    Noch 1970 arbeiteten im Zürcher Güterbahnhof 700 Arbeiter, die im 24-Stunden-Betrieb die Hälfte des städtischen Güterflusses bewältigten. Heute sind im markanten Bau verschiedene Unternehmen eingemietet. Darunter befinden sich Altmetall-Firmen, Architekturbüros, ein Weinhändler und ein ebenso verschrobener wie liebenswürdiger Cembalo-Bauer.

    Erzählt Martin Beilstein jemandem, wo er arbeitet, stösst er meist auf Unkenntnis. Die Zeiten, als der markante Bau aus dem Jahr 1896 als Nabelschnur der Stadt diente und Zürich mit einem grossen Teil der täglichen Güter versorgte, sind längst vorbei. Die Mehrheit der Zürcherinnen und Zürcher hat noch nie etwas vom Güterbahnhof gehört – und wenn doch, dann meist im Zusammenhang mit Kurt Frühs rührendem Film «Hinter den sieben Gleisen» aus dem Jahr 1959, der grösstenteils auf dem Bahnhofareal in Aussersihl spielt.

    Charme von Event-Agentur entdeckt
    Wäre da nicht der Container-Terminal, wo bis Ende Jahr noch Container auf Güterzüge umgeladen werden, hielten vor diesem stolzen Zeugen des Eisenbahnzeitalters überhaupt keine Züge mehr. Waren im Güterbahnhof noch 1970 rund 700 Arbeiter beschäftigt, die rund um die Uhr die Hälfte des städtischen Güterflusses bewältigten, ist ein grosser Teil des Gebäudes heute an Dienstleistungs- und Produktionsbetriebe vermietet.
    Martin Beilstein, ein Bähnler von altem Schrot und Korn, arbeitet bei der Immobilienabteilung der SBB, wo er für die Bewirtschaftung des Areals zuständig ist. Zwar musste er in den vergangenen Jahren wegen der unsicheren Zukunft des Bahnhofs einige gute Mieter ziehen lassen, es gelingt ihm aber immer wieder, neue Interessenten zu finden. Seit die Post, die im Güterbahnhof die B-Post verarbeitet hatte, nach Mülligen gezogen ist und sich andere Mieter wie beispielsweise die Eichhof Getränke AG nach neuen Standorten umgeschaut haben, ist die Zusammensetzung der Mieter bunter geworden. Zu den alteingesessenen Firmen wie etwa Altmetall-Händlern, einer Weinhandlung und Architekturbüros gesellen sich seit einigen Monaten eine Event-Agentur und die Hochschule der Künste, die den Charme des Ensembles ebenfalls für sich entdeckt haben.

    Heimatschutz prüft Rekurs
    Wie lange die unterschiedlichen Unternehmen im Güterbahnhof bleiben können, ist offen. Eigentlich hätte das zentral gelegene Areal bereits 2007 für den Bau des Polizei- und Justizzentrums (PJZ) frei werden sollen. Da sich die Realisierung des Grossprojekts aber immer wieder verschoben hatte, wurden die Mietverträge bisher dreimal verlängert. Bis das bewilligte Projekt für das PJZ vorliegt, bleibt das Areal im Besitz der SBB.
    Auch wenn an der Hohlstrasse 150 keine Güterzüge mehr entladen werden, erinnert viel an die bedeutende eisenbahngeschichtliche Vergangenheit der Anlage. Der U-förmige Güterbahnhof mit seinem schlossartigen Kopfbau und den zwei 400 Meter langen Sägezahnhallen mit ihrem charakteristischen Zickzackmuster ist erhalten. Die Hallen, die auf der einen Seite dem Empfang, auf der anderen dem Versand der Güter dienten, hatten bei ihrer Erbauung sogar europäischen Pioniercharakter.
    Der Schweizer Heimatschutz, der sich vergeblich gegen die Entlassung des Güterbahnhofs aus dem kommunalen Denkmalschutzinventar gewehrt hatte, prüft deshalb einen Rekurs gegen die Abbruchgenehmigung. Seiner Meinung nach muss erst geklärt werden, ob dem stattlichen Gebäude nicht nationale Bedeutung zukommt.
    Bis das Schicksal der geschichtsträchtigen Anlage endgültig besiegelt ist, bewirtschaftet Martin Beilstein den Bahnhof so gut wie möglich, und das geschäftige Treiben nimmt weiter seinen gewohnten Gang. So wird im riesigen Kellergewölbe unter der Anlage nach wie vor Wein eingelagert. Während der Wein vor 100 Jahren allerdings direkt aus den in den oberirdischen Hallen stehenden Güterwagen in riesige Holz- und Zementfässer abgefüllt wurde, wird er heute in Flaschen gelagert. Von den alten Zeiten zeugt aber heute noch ein Holzfass aus dem Jahr 1903, welches das damalige SBB-Logo, ein geflügeltes Rad, schmückt.

    Barbarossa, Clown und Dürst
    Bis heute überlebt hat auch eine weitere Eigenart des alten Güterbahnhofs: die Anziehungskraft, die das mächtige Areal auf Menschen ausübt, die gesellschaftlich nicht besonders angesehen sind. Gewährte die weitläufige Anlage bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts Panduren genannten Gelegenheitsarbeitern Unterschlupf und die Möglichkeit zur Taglöhnerei, finden sich heute gleich zwei Anbieter von Arbeitsintegrations-Projekten auf dem Bahnhofgelände.
    Gut zum Bahnhof passt auch ein etwas verschrobener, aber liebenswürdiger Cembalo-Bauer, dem Martin Beilstein ein kleines «Atelier» neben der Zwischenrampe vermittelt hat. Der Mann mit dem zerlöcherten Pullover und den geschickten Händen arbeitet hier Tag und Nacht an wunderschönen Cembalos aus Abfallholz, denen nur noch der perfekte Klang fehlt. – Der Geist von Barbarossa, Clown und Dürst, den drei herzensguten Clochards aus Kurt Frühs Filmmärchen, lebt im Güterbahnhof weiter.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 11. August 2011


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 19. August 2011


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: Tages-Anzeiger, 2. September 2011


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Das Polizei- und Justizzentrum auf dem Areal des alten Güterbahnhofs in Zürich soll gebaut werden. Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich wollen das Gesetz, das dessen Bau vorsieht, nicht aufheben. Die Kantonsregierung möchte den Bau bis 2016/2017 realisieren. Wer die Anlage vor dem Abbruch fotografieren will, sollte sich beeilen.


    Quelle: NZZ, 4. September 2011


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 20. Januar 2012


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 18. April 2012


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 4. Juli 2012


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 20. September 2012


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Der mittlerweile für andere Zwecke genutzte Güterbahnhof Zürich wird im Frühling 2013 abgebrochen werden. Auf dem Areal wird das neue Polizei- und Justizzentrum des Kantons Zürich entstehen.


    Quelle: NZZ, 26. Oktober 2012


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 22. Mai 2013


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: Tages-Anzeiger, 23. Mai 2013


    Das Areal, auf welchem das Hochaus zu stehen kommen wird, wird derzeit noch vom SBB-Bau- bzw. Unterhaltsdienst genutzt. Die Drehscheibe wurde jüngst durch den DVZO ausgebaut. Diese könnte einst in Bauma wieder eingebaut werden. Bilder von den Demontagearbeiten wurden auf der DVZO-Website publiziert.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 13. Juni 2013


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 9. Januar 2014


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: NZZ, 7. Januar 2014


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: Tages-Anzeiger, 8. November 2014


    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Quelle: Tages-Anzeiger, 18. November 2014

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

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