Zerstörungswut und oberflächliche Gesellschaft

  • Habe im Blick vom Freitag folgenden Artikel gelesen:
    "Rentner (82) im Koma".Er machte den "Fehler",Radfahrer auf ein Fahrverbot aufmerksam zu machen. Lassen wir mal so stehen,denn ich kenne den genauen Hergang und den Wortlaut nicht.

    Einem Kollegen von mir erging es in Deutschland an einer Regionalen Modellbahnausstellung aber nicht viel anders:Er landete (als Standinhaber) mit gebrochener Nase im Spital,nachdem er einen "Besucher" zurechtwies.Dass heute die Faust so schnell "ausrutscht" ist erschreckend. Verbote missachten gilt heute wohl als Kavaliersdelikt! Ich zeige ja an Messen und Events auch mein Hobby. Da wird (trotz der "Bitte nicht Berühren" Tafel) immer öfter hingefasst oder es werden gar Sachen mutwillig (!) beschädigt. Spricht man die betreffenden Personen an, wird man noch blöd angemacht ("Damit müssen sie rechnen, wenn sie ausstellen").Während einer 5 tägigen Publikums-Messe wollte ich mal die "Missachtungen" zählen und erlebte mehr niederträchtiges, als ich eigentlich wollte: 623 x sah ich, dass trotz A4-Tafeln "Bitte nicht berühren" hingefasst wurde (Dunkelziffer die ich nicht gesehen habe unbekannt), 3 (Mutwillig) abgebrochene Bäume auf der Anlage und 2 (von mir vereitelte) Modell entwendungsversuche (Fahrende Züge auf der Anlage!). Es ehrt mich zwar,dass meine Recyclingbahn-Modelle offenbar so wertvoll sind,dass sie zum Diebstahl verführen,aber wenn das mit der Gesellschaft so weiter den Berg ab geht, kann ich getrost darauf verzichten, mir an einer Ausstellung den Arsch aufzureissen für so ein (oberflächliches) Publikum...

    Eure Meinungen zu diesem Thema und Eure Strategien und Erfahrungen als Aussteller würden mich an dieser Stelle interessieren.

    Recyclingbahn: Eisenbahnen aus "Abfall", Kunst oder Schrott...? ?(
    Retro-Train: Nachbauten von historischen Selbstbauten
    Uhrwerkbahn: Modellbahnen ganz ohne Strom
    Kartoneisenbahnen mit Metallteilen: Die "Armeleute-Modellbahn 30er bis 50er Jahre

    Nicht "Es fährt ein Zug nach nirgendwo" sondern "Da rollt ein Zug aus Müll"

  • Wichtig bei Ausstellungen ist Präsenz, und zwar muss jeder Bereich mit einer Person abgedeckt sein die sich nur bedingt um Fragen aus dem Publikum kümmert.
    Eine Absperrung ist zwingend bei grossen Personen aufkommen, es wirkt in der Regel schon genug präventiv denn die welche nur Zerstören hält nichts ab ausser man "knurrt" die schnell genug an.

  • Ich frage mich manchmal wirklich ernsthaft, ob dies noch meine Welt ist, in der ich leben möchte (keine Angst, ich tue mir nichts an).

    Es ist bedenklich was man tagtäglich liest und was in dieser Welt so abgeht. Es macht mich einfach nur traurig.

  • Nun, die Menschen stehen heute je länger je mehr im einzelfal unter Druck. Das fällt mir in verschiedenen Bereichen auf. Es braucht vermehrt nur noch ganz wenig, um einen Menschen im öffentlichen Raum aus der Fassung zu bringen. Als Fussgänger fällt mir dies beispielsweise beim Überqueren von Fussgängerstreifen auf. Gerade Berufskraftfahrer scheinen heute dermassen unter Druck zu sein, dass sie es sich offensichtlich eigentlich nicht leisten können, am Fussgängerstreifen anzuhalten, so wie es Gesetz und Anstand eigentlich gebieten. Da wird man dann auch schon mal sehr untergürtellinig angegangen, wenn man in normalem Tempo geht statt zu rennen.

    Im Prinzip habe ich verständnis für die Situation, in welcher sich diese Leute offensichtlich befinden. Aber ehrlich gesagt... Wenn es so wenig braucht, dann ist das keine gute Situation mehr. Eigentlich müsste man diese Leute anschreiben: Achtung - psychisch momentan gerade nicht so stabil, es wird um schonendes Anhalten gebeten.

    Beim Velofahrer mit dem Rentner fragt man sich nun schon. Es war ja nicht etwa ein Halbstarker mit Hormonschwankungen. Aber auch ein 48-jähriger kann sich in einer sehr schwierigen Lebenssituation befinden. Angehörige in schlechter gesundheitlicher Verfassung, Beziehungsprobleme, Probleme mit dem Nachwuchs, Probleme mit dem job oder gar arbeitslos... All diese Dinge belasten einen Menschen manchmal weit über seine Grenzen hinaus. Und wenn man so jemanden nun anstupsen geht, dann passieren vielleicht dann eben wirklich Dinge, mit denen niemand rechnet.

    Wer immer noch glaubt, dass Wirtschaft wichtiger ist als Gesundheit, kann ja mal versuchen sein Geld zu zählen, während er die Luft anhält. - Eckart von Hirschhausen, Juli 2021

  • Eigentlich müsste man diese Leute anschreiben: Achtung - psychisch momentan gerade nicht so stabil, es wird um schonendes Anhalten gebeten.


    Na dann kannst du 7 Millionen solche Schilder nur für die Schweiz machen! Heute braucht es bei vielen Leuten nicht mehr viel, bis sie ausrasten. Mann steht meiner Meinung nach immer irgendwo unter Druck, da muss nur ein falsches Wort gesagt werden, und schon ist der andere (ungewollt!) so tief im Herz verletzt, dass er sich nicht mehr kontrollieren kann. :S

  • Man sollte sich halt auch mal Gedanken machen, warum das so ist. Fast jeder Mensch kommt mehrmals zu Lebzeiten in Situationen, die ihn übermässig aus seinen Reserven locken und dann halt je nach individueller Verfassung mehr oder weniger Schaden am Individuum und gegebenenfalls auch seiner Umwelt anrichten können.

    Es scheint eine Zeiterscheinung zu sein, dass Menschen heute dünnhäutiger sind als früher (TM), vielleicht ist auch der Zeitgeist mit oft geforderter weitestgehender Erreichbarkeit, gesellschaftlichen Erwartungshaltungen etc. eher Fluch als Segen. Als junger Erwachsener kann ich persönlich noch nicht auf einen umfassenden Erfahrungsrucksack zurückgreifen, trotzdem brauchts auch bei mir nicht mehr so viel wie auch schon um mich aus dem Alltagstrott zu holen. Glücklicherweise bin ich aber nicht Richtung Suchtverhalten (zumindest nicht im klassischen Sinne Richtung Alkohol, Tabak und Drogen) oder nach aussen gerichteter Gewalt veranlagt, so dass man mir lange Zeit nichts anmerkt.

    Welcher Typ (Auswirkungen nach innen / aussen) gefährlicher ist, muss wohl individuell entschieden werden.

  • Als junger Erwachsener kann ich persönlich noch nicht auf einen umfassenden Erfahrungsrucksack zurückgreifen, trotzdem brauchts auch bei mir nicht mehr so viel wie auch schon um mich aus dem Alltagstrott zu holen.


    Davon kann ich auch ein Lied singen. Ich merke selbst, dass ich oft gereizt bin, obwohl ich mir das selbst häufig nicht wirklich erklären kann... ?( Ich versuche als Reaktion darauf einfach an Tagen, wo ich merke, dass ich sehr gereizt bin, nicht unnötig aus dem Haus zu gehen, wobei das dann meistens meine Familie ausbaden darf (und umgekehrt...)

  • Hmm, wieviele Jahre ist das her, dass das Cabaret Rotstift das Lied geschrieben hat, wo es hiess: De Fritz isch guet, nur t'Umwält schlächt

    Scheint mir aktueller denn je zu sein.

  • Ich denke, dass es gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig ist, für sich selber einen Ausgleich zu suchen. Ich zum Beispiel leiste mir mindestens einmal die Woche den Luxus, während mehrerer Stunden (oder gar einen ganzen Tag) nicht erreichbar zu sein. Da bleibt das Natel abgestellt oder zu Hause und der Hausanschluss läutet ins Leere. Für einige mag dies ignorant sein, für mich ist es ein "Auftanken" und ein Luxus, nicht immer und überall und für alle erreichbar zu sein. Und es wirkt wahre Wunder, man mag danach wieder viel besser und ist ausgeglichener.

    Früher hatten wir auch unseren Spass, nur hiess es damals noch nicht "Fun".

  • TEE
    Ja, das ist mit Abstand die effektivste Methode. Wende ich öfters auch an.

    peischtipeir
    Wenn jemand in jugendlichem Alter bereits in einer derart schlechten Verfassung ist, dass er öfters nicht mehr aus dem Haus geht, weil er derart gereizt ist, sollte er sich übrigens dringend professionelle Hilfe holen... :S Man sollte unbedingt seinen persönlichen Ausgleich finden, auch ohne die Familie oder sonstwer damit zu belasten! Wenns nicht ganz ernst gemeint ist, was man hier im BFS so hineinschreibt, dann unterlasse man dies übrigens besser! (oder setze entsprechend Smileys, dieses Thema finde ich aber so oder so nicht für Spässe geeignet)

    Im Falle des Velofahrers akzeptiere ich jedoch auch psychische Gründe nicht als Entschuldigung. Es kann nicht sein, dass überall reingeschlagen werden muss. Woran es überall genau liegt, ich weiss es nicht. Nicht zufällig beschäftigen sich damit etliche Forscher.

  • Wenn jemand in jugendlichem Alter bereits in einer derart schlechten Verfassung ist,


    Also 1. bin ich sicher, dass ich nicht der einzige bin, und dass andere Jugendliche noch deutlich gereizter sind (z.B. wenn man mit einem auf dem Schulgang zusammenstösst rastet der schon derart aus, dass man letztlich froh ist, dass ein Lehrer danebensteht...)
    2. Bin ich lieber gereizt, bleibe womöglich zu Hause und achte ein Bisschen darauf, was ich tue, als dass ich mich im nächsten Lokal besaufe, bekiffe und was weiss ich noch... Diesen Leuten geht es meiner Meinung nach bedeutend schlechter.

    Ausserdem habe ich das mit dem nicht aus dem Haus gehen eher so gemeint, dass ich an freien Tagen ziemlich häufig hier online bin (bzw. allgemein am PC sitze, wobei ich meiner Meinung nach nicht zu denen gehöre, die den ganzen Tag zocken, sonder bastle dann lieber mal an meiner Homepage oder so), und ich nicht einfach so rausgehe, weil da ziemlich viele "Stressfaktoren" sind...

  • peischtipeir

    Meinst Du mit "Stressfaktoren" etwa die Mitmenschen draussen? Dann gehst Du aber schon ziemlich gereizt aus dem Haus, wenn Du die Mitmenschen als Stressfaktoren wahrnimmst.

    Wenn ich als Chauffeur mit einem unserer Postautos unterwegs bin erlebe ich im Strassenverkehr so einiges. Wenn ich mich da jedes Mal aufregen würde, käme es aber gar nicht gut. Ich mache mir viel mehr einen Spass daraus, die Situationen (und Menschen, die dies verursachen) mit einem Lächeln zur Kenntnis zu nehmen. Das wirkt wahre Wunder, man regt sich kaum auf und erlebt viel mehr Situationskomik, für welche man bei Emil & Co. Eintritt bezahlen muss.

    Versuche, mit einer positiven Einstellung aus dem Haus zu gehen und die "Stressfaktoren" zu belächeln, es geht Dir wesentlich besser.

    Früher hatten wir auch unseren Spass, nur hiess es damals noch nicht "Fun".

  • Versuche, mit einer positiven Einstellung aus dem Haus zu gehen und die "Stressfaktoren" zu belächeln, es geht Dir wesentlich besser.

    Ein guter Rat, allerdings gibt es durchaus auch Situationen in denen sich mehrere Handlungs-Brennpunkte aufdrängen, die dann positive Einstellungen sehr schwierig aufrecht zu erhalten machen.

    Es ist dann auch noch ein Unterschied, ob man entscheiden kann, ob man sich tagesabhängig ins Leben vor der Tür stürzen will oder nicht oder ob morgens beim Weckerklingeln zwangsläufig in einen Arbeitstag gestartet werden muss.

    Wenn Herrn Muster jetzt die Arbeit keine Freude mehr macht, er aber auch sonst noch im Privaten beispielsweise Beziehungsprobleme hat oder gar keine solche zu Stande bringt, bleibt je nach Verfassung wenig Energie, am ersten Problempunkt etwas zu ändern. Je nach Standhaftigkeit von Herrn Muster kann sich dann durchaus ein Sicherungsknaller einstellen...

  • Versuche, mit einer positiven Einstellung aus dem Haus zu gehen und die "Stressfaktoren" zu belächeln, es geht Dir wesentlich besser.

    Falls die lieben Mitmenschen das nicht wissen, oder Dich bewusst Nerven, scheitert der Versuch. Wenn man sich also trotzdem ärgert (wie ich,wenn jemand gerade einen Baum auf meiner Anlage gefällt hat),dann hilft es oft mal kurz 3 Sekunden inne zu halten und dabei einen tiefen Atemzug zu tun.Ich habe das als gutes Abkühlmittel für Wut und Nervenstress entdeckt.

    Präsenz markieren an einer Modellbahnausstellung ist wichtig,darum trage ich immer ein Namensschild am Stand.

    Recyclingbahn: Eisenbahnen aus "Abfall", Kunst oder Schrott...? ?(
    Retro-Train: Nachbauten von historischen Selbstbauten
    Uhrwerkbahn: Modellbahnen ganz ohne Strom
    Kartoneisenbahnen mit Metallteilen: Die "Armeleute-Modellbahn 30er bis 50er Jahre

    Nicht "Es fährt ein Zug nach nirgendwo" sondern "Da rollt ein Zug aus Müll"

  • Meinst Du mit "Stressfaktoren" etwa die Mitmenschen draussen? Dann gehst Du aber schon ziemlich gereizt aus dem Haus, wenn Du die Mitmenschen als Stressfaktoren wahrnimmst.


    Mit Menschen grundsätzlich habe ich kein Problem aber wenn es dann einem anderen gerade gleich geht wie mir, braucht es wirklich nicht mehr viel, bis der eine Überlastet ist...


    Versuche, mit einer positiven Einstellung aus dem Haus zu gehen und die "Stressfaktoren" zu belächeln, es geht Dir wesentlich besser.


    Kein Problem, solange ich freiwillig und/oder motiviert aus dem Haus gehe, aber wenn man zur Arbeit (bzw. Schule) muss, im Moment einfach absolut "kein Bock" darauf hat, ist das relativ schwierig.

  • Ein Aspekt, der noch nicht genannt wurde, ist sicher auch die Individualisierung der Gesellschaft bzw. der Verlust des Gemeinschaftssinns. Wenn das "Ich" das Mass aller Dinge ist, dann hat mir niemand nichts zu sagen und wer es trotzdem versucht, begeht einen Affront und kriegt eine auf die Nuss. (Und das hat mit Stress im persönlichen Umfeld rein gar nichts zu tun.)

    Die Vereinzelung der Gesellschaft ist eines der grossen gesellschaftlichen Probleme. Sie führt nicht nur zu steigender Aggressivität, sondern auch zu steigenden Selbstmordraten (sic) und Flucht in virutelle Ersatzwelten.

    Gotthelf schrieb: "Zu Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland..." Seine Vision - die Familie als Keimzelle der Gesellschaft - war ein Gegenentwurf zu Kapitalismus und Kommunismus. In familiären, kleinräumigen, selbstverwalteten Gemeinschaften können die Menschen lernen, liebevoll Verantwortung füreinander zu übernehmen. Weil es anders gar nicht geht (in der Familie, mein ich).

    Der Kapitalismus hingegen, deren Vertreter zu Gotthelfs Lebzeiten beispielsweise unser Eisenbahnkönig Alfred Escher war, hatte grösstes Interesse an der Individualisierung oder "Atomisierung" der Gesellschaft, da das Kapital individualisierte Menschen leichter manipulieren kann. Nicht umsonst heisst A.G. (Aktiengesellschaft) im Französischen "Anonyme Gesellschaft". Leider hat sich die Individualisierung in den Industrieländern à fond durchgesetzt - die negativen Begleiterscheinungen sehen wir heute. :(

    Es wäre spannend, heute mit Gotthelf, Escher und Marx auf die gesellschaftliche Entwicklung der letzten 100 Jahre zurückzublicken und mit ihnen Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen.

    Felix

  • Der Kapitalismus hingegen, deren Vertreter zu Gotthelfs Lebzeiten beispielsweise unser Eisenbahnkönig Alfred Escher war, hatte grösstes Interesse an der Individualisierung oder "Atomisierung" der Gesellschaft, da das Kapital individualisierte Menschen leichter manipulieren kann. Nicht umsonst heisst A.G. (Aktiengesellschaft) im Französischen "Anonyme Gesellschaft". Leider hat sich die Individualisierung in den Industrieländern à fond durchgesetzt - die negativen Begleiterscheinungen sehen wir heute. :(


    Und die positiven ebenfalls. Hallo, die letzten 100 Jahre waren doch nur vom Niedergang geprägt!

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