• Spätestens Szenerien, wie in Budscha haben mit Kollateralschäden einer veralteten und unpräzisen Kroegsführung nichts mehr zu tun. Das ist schlicht das Ergebnis einer undiszipliniert marodierenden und "übertötenden" Meute (den verschiedentlich in diesem Zusammenhang gebrauchten Begriff "Soldateska" möchte ich bewusst vermeiden, da historisch und somit kontextuell vorbelastet). Aber ds simd Szenen, die durchaus auch zu dem passen, was aus den befreiten Staaten Ostmitteleuropas nach 1945 berichtet wurde. Das mag nicht direkt die "Schuld" Putins sein, aber eine willentliche Inkaufnahme würde ich da durchaus attestieren wollen. Ob das dann schon "genozidale Züge" hat, darüber kann man streiten, eindeutige Kriegsverbrechen "erster Ordnung" sind es allemal. (Zur Erklärung: mit "erster Ordnung" meine ich solche Verbrechen, die mit den eigentlichen Kampfhandlungen in keinem Zusammenhang stehen - nach der Besetzung eines Orts die Leute wahllos auf der Strasse abzuknallen oder zumindest schwer zu misshandeln ist m.E schon noch etwas anderes, als im Artilleriegefecht auf ein Spital zu schiessen. Da kann man immer noch mit der - nicht immer sehr glaubwürdigen - Annahme argumentieren, der Feind hätte sich dort verschanzt).

    Diese Ausnahmen kommen mir bei Dir immer echlii kurz, weshalb ich mich da eines gewissen Eindrucks von Relativierungsversuchen micht erwehren kann.

    Zu Deiner Überlegung mit den Einflusssphären muss ich dann auch nochmal eines meiner "ceterum censeo" wiederholen: die Auflösung der Sowjetunion war hausgemacht und ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass das dem "Westen" damals besonders willkommen war. Der fuhr mit Gorbatschow nämlich nicht schlecht, ein stabilerer Übergang zur Marktwirtschaft in der Union als Ganzes wäre sicher eine stabilere Variante gewesen als das überstürzte Entstehen eines Systems von Oligarchen bzw. Tycoons, die i.d.R. aus der alten Sowjetelite stammten und sich die Filetstücke unter den Nagel rissen - ganz zu schweigen vom Waffenarsenal, dass mit dem Zerfall der Union einer ggfs. auch gemeinsamen Kontrolle entzogen wurde.

    Dass die entstandenen souveränen Staaten möglicherweise irgendwann andere Wege gehen, gehört zum Lebensrisiko und rechtfertigt - oder auch nur relativiert - von daher in meinen Augen gar nichts.

    Bezüglich der atomaren Option bleibt nur zu hoffen, dass entwedet Putin an dieser Stelle rational genug bleibt, diese nicht zu ziehen oder dass seine Position in Politik und Milltär inzwischen zu geschwächt ist (ja, mir ist auch klar, dass das auch genau umgekehrt funktionieren kann...).

  • Spätestens Szenerien, wie in Budscha haben mit Kollateralschäden einer veralteten und unpräzisen Kroegsführung nichts mehr zu tun. Das ist schlicht das Ergebnis einer undiszipliniert marodierenden und "übertötenden" Meute (den verschiedentlich in diesem Zusammenhang gebrauchten Begriff "Soldateska" möchte ich bewusst vermeiden, da historisch und somit kontextuell vorbelastet). Aber ds simd Szenen, die durchaus auch zu dem passen, was aus den befreiten Staaten Ostmitteleuropas nach 1945 berichtet wurde. Das mag nicht direkt die "Schuld" Putins sein, aber eine willentliche Inkaufnahme würde ich da durchaus attestieren wollen. Ob das dann schon "genozidale Züge" hat, darüber kann man streiten, eindeutige Kriegsverbrechen "erster Ordnung" sind es allemal. (Zur Erklärung: mit "erster Ordnung" meine ich solche Verbrechen, die mit den eigentlichen Kampfhandlungen in keinem Zusammenhang stehen - nach der Besetzung eines Orts die Leute wahllos auf der Strasse abzuknallen oder zumindest schwer zu misshandeln ist m.E schon noch etwas anderes, als im Artilleriegefecht auf ein Spital zu schiessen. Da kann man immer noch mit der - nicht immer sehr glaubwürdigen - Annahme argumentieren, der Feind hätte sich dort verschanzt).

    Diese Ausnahmen kommen mir bei Dir immer echlii kurz, weshalb ich mich da eines gewissen Eindrucks von Relativierungsversuchen micht erwehren kann.

    Diese Einschätzung (ohne den letzten Satz) könnte ich weitestgehend unterschreiben, und ich denke, dazu gibt es auch einen ziemlich breiten Konsens. Wenn du bei mir Aussagen findest, welche das relativieren, bin ich jederzeit gern bereit, über die Bücher zu gehen. Eine kleine Reserve habe ich vielleicht in der Frage, wie weit die Staatsspitze für das Verhalten der Truppe verantwortlich gemacht werden kann. Ich möchte hierbei zwischen direkten und indirekten Einflussmöglichkeiten unterscheiden:

    - Direkte Einflussmöglichkeiten: Erlass und Durchsetzung von Reglementen und Befehlen entlang der Befehlskette.

    - Unter indirekten Einflussmöglichkeiten verstehe ich 'weiche' Faktoren wie gesellschaftliches Klima, allgemeine Wertvorstellungen, Bildungsstand der Soldaten (vor der Rekrutierung) etc. Auch sie sind von der Politik beeinflusst, wobei die Wirkung bestimmter Massnahmen erst langfristig eintritt und kaum direkt nachweisbar ist.

    Wie weit wir überhaupt unser Leben im Griff haben bzw. haben sollten, ist eine philosophische Frage. Freud zog heftige Ablehnung auf sich mit seiner Aussage, wir seien selbst in unserem eigenen Innenleben nicht 'Herr im Haus'. Als Eisenbahnfans oder -profis sehen wir, wie unterschiedlich alltägliche Betriebsabläufe der Bahn in den Griff zu bekommen sind. Ich habe eine Rekrutenschule und drei Wiederholungskurse bei der 'besten Armee der Welt' absolvieren dürfen. Aus meinen dabei gemachten Erfahrungen tendiere ich dazu, die Durchsetzungskraft von Anordnungen von oben im Militär ziemlich nüchtern einzuschätzen. Die Rote Armee haben wir uns lange Zeit als straff durchorganisierte Truppe mit eiserner Disziplin vorgestellt. Die Meldungen aus dem Krieg und das von dir oben durchaus treffend entworfene Sittenbild legen eine Revision dieser Einschätzung nahe. Ich finde es sogar ziemlich spektakulär, wie es dort offenbar drunter und drüber geht. Fazit: Für den Zustand der Truppe kann zweifellos die Politik (mit)verantwortlich gemacht werden. Ich gehe aber davon aus, dass die höheren Chargen sich der katastrophalen Wirkung von Berichten über Kriegsverbrechen durchaus bewusst sind.

    Zu Deiner Überlegung mit den Einflusssphären muss ich dann auch nochmal eines meiner "ceterum censeo" wiederholen: die Auflösung der Sowjetunion war hausgemacht und ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass das dem "Westen" damals besonders willkommen war. Der fuhr mit Gorbatschow nämlich nicht schlecht, ein stabilerer Übergang zur Marktwirtschaft in der Union als Ganzes wäre sicher eine stabilere Variante gewesen als das überstürzte Entstehen eines Systems von Oligarchen bzw. Tycoons, die i.d.R. aus der alten Sowjetelite stammten und sich die Filetstücke unter den Nagel rissen - ganz zu schweigen vom Waffenarsenal, dass mit dem Zerfall der Union einer ggfs. auch gemeinsamen Kontrolle entzogen wurde.

    Natürlich wäre es wunderbar gewesen, wenn Gorbatschows Projekte Glasnost und Perestroika erfolgreich verlaufen wären. Ich fragte mich allerdings schon damals, ob das nicht fast zu schön sei, um wahr zu sein. Wir müssen allerdings schon sehen, dass es eine bewusste Strategie des Westens seit Reagan und Thatcher war, mit dem verschärften Wettrüsten den Kommunismus in den Kollaps zu treiben. Es wurden auch genügend Mittel in Geheimdienste und Denkfabriken investiert, dass man hätte ahnen (oder aus der jüngeren Geschichte ableiten) können, dass der Zusammenbruch zu einem Chaos führen würde, das irgendwann in ein Wiedererstarken unter einer autoritären Führung münden musste. Zu diskutieren wäre jetzt höchstens noch, ob Putin die ganze Zeit immer nur der war, als den er sich nun entpuppt hat, oder ob es ein 'Window of opportunity' für einen anderen Gang der Geschichte gegeben hätte.

    Bezüglich der atomaren Option bleibt nur zu hoffen, dass entwedet Putin an dieser Stelle rational genug bleibt, diese nicht zu ziehen oder dass seine Position in Politik und Milltär inzwischen zu geschwächt ist (ja, mir ist auch klar, dass das auch genau umgekehrt funktionieren kann...).

    Ja, das bleibt zu hoffen. Deine etwas kryptische Schlussbemerkung interpretiere ich dahingehend, dass eine Schwächung Putins die Risiken auch erhöhen könnte. Ich tendiere stark zu dieser Version. Die Hoffnung, in der momentanen Lage könnten Demokraten nach einem Putsch ans Ruder kommen, finde ich einigermassen abenteuerlich - oder sagen wir so: Da müssten die westlichen Drahtzieher schon ein ziemlich reifes Gesellenstück hinlegen ;)

  • Ja, das bleibt zu hoffen. Deine etwas kryptische Schlussbemerkung interpretiere ich dahingehend, dass eine Schwächung Putins die Risiken auch erhöhen könnte. Ich tendiere stark zu dieser Version. Die Hoffnung, in der momentanen Lage könnten Demokraten nach einem Putsch ans Ruder kommen, finde ich einigermassen abenteuerlich - oder sagen wir so: Da müssten die westlichen Drahtzieher schon ein ziemlich reifes Gesellenstück hinlegen ;)

    Du interpretierst hier - leider - richtig. Und den Gedanken mit dem reifen Gesellenstück hatte ich in ähnlicher Form auch schon.

  • - wie erklärst Du Dir dann das deutliche nicht nur finanzielle Engagement Russlands bei diversen westeuropäischen rechtspopulistischen bis rechtsextremen (und tlw. auch linken) Parteien - mich erinnert das stark an das Engagement des KGB oder der Stasi während des Kalten Krieges, das von der Friedensbewegung bis zur Untersützung der RAF reichte. Die glühende Verehrung, die Putin teilweise in diesen Gruppen entgegen gebracht wird, dürfte nicht nur darauf beruhen, dass man ihn sich als letztes Bollwerk gegen die Mehrgeschlechtertoilette wünscht.

    Dieses Engagement ist ein überbleibsel aus dem kalten Krieg.

    Es gibt überigens auch westliches Engagament in Russland und bei ihre Verbündete welches weit über das politische hinausgeht. Zum Besipiel bei den vielen Zivilgesellchaftliche Organisationen und NGO's welche grössenteils aus dem Westen finanziert werden und pro-westliche Ziele verfolgen.

  • Das ist sicher richtig, das Problem aus (west-)europäischer Sicht ist, dass Russland weiterhin sehr aktiv mit diesen Methoden arbeitet bzw. nie damit aufgehört hat, da die meisten entscheidenden Personen über eine KGB-Vergangenheit und -Sozialisation verfügen und sich auch im Westen alter Seilschaften bedienen - siehe NordStream, wo ein ehemaliger hoher Stasi-Offizier in Leitungsfunktion sitzt. Die wirtschaftliche Öffnung zum Westen begann bereits unter Andropow und war naturgemäss damals i.W. in dem Händen des KGB. Damit waren die handelnden Personen auch nach 1990 weitgehend definiert...

    Das ist ein Punkt, dem hierzulande in der Vergangenheit vermutlich deutlich zu wenig Beachting geschenkt wurde. Und es hat m.E. eine deutlich amdere Qualität als das nachdienstentechnische Engagent des Westens, der hier schon aufgrund völlig anderer gesellschaftlicher Strukturen micht ansatzweise so effizient agieren konnte/ kann.

  • Ich lasse mich aber sehr gerne von einem fragwürdigen Kurzbeitrag im Österreichischen Fernsehen beleehren dass alles was ich gesehen und gehört habe irgendwie eingebildet haben muss.

    Nach dem du auf meine Frage vom 5. September leider noch nicht geantwortet hast, nochmal die Frage, was ist an diesem Beitrag fragwürdig?
    Bitte um konkrete Punkte inkl. (seriösen) Quellen (also nicht der Freund vom Schwager, der weiß, dass die Medien in Ungarn alle ganz unabhängig arbeiten)

  • Den Expansionsdrang der Nato sollte man nicht unterschätzen, auch wenn er auf samtenen Pfoten daherkommt. So soll etwa Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg neulich (mit Blick auf die Waffenlieferungsfrage) gesagt haben, dass ihm mehr Waffen für die Ukraine derzeit wichtiger seien als volle Depots der Nato-Staaten, und weiter: "Indem wir dafür sorgen, dass Russland in der Ukraine nicht gewinnt, erhöhen wir auch unsere eigene Sicherheit und stärken das Bündnis."

    Tönt ja auf den ersten Blick auch irgendwie ganz gut - bis man sich gewahr wird, was das letztlich heisst. Die Nato wurde als Verteidigungsbündnis gegründet, ihr Auftrag wurde von der Politik definiert und vertraglich geregelt. Sie besteht in der Verteidigung des Territoriums der Mitgliedstaaten. Jetzt kommt also quasi der Auftragnehmer und formuliert seine Aufgabe freihändig dahingehend um, dass die Verteidigungslinie rund 1000 km Richtung Osten vorzuschieben sei.

  • Und es hat m.E. eine deutlich amdere Qualität als das nachdienstentechnische Engagent des Westens, der hier schon aufgrund völlig anderer gesellschaftlicher Strukturen micht ansatzweise so effizient agieren konnte/ kann.

    Wie misst man die Effizienz solcher Aktivitäten?

    Vielleicht einfach an den Geschehnissen der letzten 15-20 Jahre? Was hat Russland vorzuweisen? Die in vielen Fällen erfolgreiche Erpressung der ehemaligen Sowjetrepubliken, weiter als faktisch teilselbständige Vasallenstaaten zu existieren bzw. dort, wo das nicht mehr funktionierte, zunächst erfolgreiche Regimechanges unter zuhilfenahme staatlicher Energiekonzerne und quasi mafiöser Erpressungsangebote - das ist nämlich der Hintergrund des Regimechanges von Juschtschenko zurück zu Janukowytsch und wird als Vorgeschichte des "Euromaidan" gerne echlii ausgeblendet. UNd weiterhin - ujnd vor allem - das sukzessive Abhängigmachen von Westeuropa von russischem Gas und Öl einschliesslich des Erwerbs kritischer Infrastrukturen sowie die weitgehend ungehinderte Fortsetzung dieser Politik auch nach eklatatnen Völkerrechtsbrüchen (Krim-Besetzung, Ostukraine - Syrien klammere ich mal bewusst aus, dazu gibt es ja durchaus - mit Abstrichen - Parallelen im Westen).

    Was hat der Westen dem entgegenzusetzen? Maximal den Erfolg des "Euromaidan", wenn man den denn - wie ich es aus Deinen Ausführungen immer mal wieder herauszuonterpretieren meinte - als "Werk des Westens" interpretieren möchte.

    Den Expansionsdrang der Nato sollte man nicht unterschätzen, auch wenn er auf samtenen Pfoten daherkommt. So soll etwa Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg neulich (mit Blick auf die Waffenlieferungsfrage) gesagt haben, dass ihm mehr Waffen für die Ukraine derzeit wichtiger seien als volle Depots der Nato-Staaten, und weiter: "Indem wir dafür sorgen, dass Russland in der Ukraine nicht gewinnt, erhöhen wir auch unsere eigene Sicherheit und stärken das Bündnis."

    Tönt ja auf den ersten Blick auch irgendwie ganz gut - bis man sich gewahr wird, was das letztlich heisst. Die Nato wurde als Verteidigungsbündnis gegründet, ihr Auftrag wurde von der Politik definiert und vertraglich geregelt. Sie besteht in der Verteidigung des Territoriums der Mitgliedstaaten. Jetzt kommt also quasi der Auftragnehmer und formuliert seine Aufgabe freihändig dahingehend um, dass die Verteidigungslinie rund 1000 km Richtung Osten vorzuschieben sei.

    Vielleicht sollten wir hier Ursache und Wirkung nicht miteinander verwechseln. Da mit Teilen der Rhetorik, mit der die "Spezialoperation" der "Höflichen Profis" begründet wurde, auch diverse Nato-Staaten in die russische Interessenssphäre rücken würden, ist allein aus diesem Grund - nach dem Motto "wehret den Anfängen" - ein möglichst weitgehendes Engagement der Nato in der Ukraine geboten, wobei der Umstand, dass die Nato sich da gerade von anderen verteidigen lässt, aus ganz anderen Gründen auch moralisch fragwürdig sein könnte.

    Bezüglich "Expansionsdrang" der Nato: Vermutlich ist die Nato her genau deshalb erfolgreicher, weil sie auf Samtpfoten daher kommt und ihren (potenziellen) Mitgleidsstaaten deutlich mehr Freiraum lässt (der ja - wie man im Fall der Türkei sehen kann - sogar soweit geht, dass sie andere Bündnispartner mit Krieg bedrohen können, ohne dass wirklich etwas passiert). Als souveräner Staat fände ich so eine Bündnisoption auch interessanter als eine, wo der Präsident des "Vorreiterstaates" mögliche Abweichler mit den Methoden des Leningrader Hinterhofs seiner Jugend bedroht oder der "Rechtsvorängerstaat" im "Rechtsvorgängerbündnis" deutlich gezeigt hat, wie mit Bündnispartnern verfahren wird, die sich nicht (mehr) wohlfeil verhalten - siehe Prag 1968 oder Ungarn 1956 (Berlin 1953 lasse ich mal weg, da wurde die Militärhilfe ja eindeutig von der eigenen Regierung angefordert).

  • Den Expansionsdrang der Nato sollte man nicht unterschätzen, auch wenn er auf samtenen Pfoten daherkommt. So soll etwa Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg neulich (mit Blick auf die Waffenlieferungsfrage) gesagt haben, dass ihm mehr Waffen für die Ukraine derzeit wichtiger seien als volle Depots der Nato-Staaten, und weiter: "Indem wir dafür sorgen, dass Russland in der Ukraine nicht gewinnt, erhöhen wir auch unsere eigene Sicherheit und stärken das Bündnis."

    Zusagen das es keine Ostexpansion geben wird waren rein mündliche Aussagen von Politikern. Die NATO Expansionen gingen immer voller Freiwilligkeit daher und die Expansion mit Schweden und Finnland kann sich Russland selber auf die Fahne schreiben.

    Wenn man zurückschaut auf die Zeit das Jahr 2014, dann hat die Annexion der Krim und das auftauchen der grünen Männchen im Osten der Ukraine das Engagement der NATO in der Ausbildung des ukrainischen Militärs überhaupt erst richtig angestachelt: damals hatte die Ukraine dem russischen Militär nur wenig entgegenzusetzen. Seither wurde das ukrainische Militär durch die NATO nach dem Stil der US Armee umgebaut und trainiert (es gab aber relativ wenig Waffenlieferungen) und man hat ja bereits beim Sturm auf Kiew gesehen, welche Vorteile dies gebracht hat gegen einen in Stärke und Material haushoch überlegenen Gegner.

    Je nachdem wie tief man gräbt, aber in meinen Augen wurde der Grundstein für die jetztige Misere in Europa im Jahr 2003 durch G. W. Bush gelegt als er Putin gezeigt hat, dass die USA mit dem vereinigten Königreich einen unliebsamen Diktator stürzen geht.

    Seit daher sind die Beziehungen des Westens mit Russland langsam den Bach runtergegangen. Dies hat auf der Welt aber kaum einer mitbekommen, allerdings hätte nach der Ansprache von Putin an der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahre 2007 eigentlich allen klar werden sollen, dass der zweite kalte Krieg gerade anfängt.

  • Es gehört zur russischen (ex-sowjetischen) Propaganda, von einer "aggressiven" Ost-Erweiterung der NATO zu sprechen. Tatsache ist, dass die osteuropäischen Länder sich freiwillig entschieden haben, der NATO beizutreten. Und wie die jüngere und jüngste Geschichte leider zeigt, ist dies eine notwendige Lebensversicherung.

    Ein paar Beiträge vorher wurde Gorbi als Leuchtfigur erwähnt, bei den Januarereignissen 1991 in Litauen liess aber auch er Panzer gegen friedliche Demonstranten auffahren. Immerhin hatte er das Rückgrat, in den vergangenen Jahren den Mythos zu verneinen, der Westen habe ihm keine "Osterweiterung" garantiert. Seitens NATO gab es übrigens mit der NATO-Russland-Grundakte das ernsthafte Bestreben, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden. Darin ist übrigens auch das Recht aller Staaten auf territoriale Unversehrtheit garantiert ... .

    Die russische Propaganda stilisiert den Westen zum bösen, gefährlichen Feind, der nur darauf wartet, anzugreifen (mit welchen Armeen, die nach diversen Abrüstungsrunden und damit hohem Profit der Friedensdividende, sei dahingestellt). Tatsache ist, dass Russland in Kaliningrad Kurzstreckenraketen des Typs Iskander stationiert haben. Diese können mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden. Berlin, Kopenhagen, Stockholm oder Warschau liegen in ihrer Reichweite. Meines Wissens hat die NATO keine Raketen in Osteuropa stationiert, die Moskau erreichen können. Das widerspräche der NATO-Russland-Grundakte, an die sich die NATO nach wie vor hält.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Und wer hat die Expansion der NATO wirklich vorangetrieben? Wie gross war das Interesse der NATO an all diesen kleinen Ländern mit veralteter Ausrüstung, mit ihren eigenen Konfliktpotentialen und Konflikt mit Russland und wie laut haben die Mitglieder aus den Neumitgliedern "Bitte Bitte nehmt uns schnell auf" aus Angst vor Russland geschrien?

    Nach dem Angriff auf die Ukraine schlafen die Leute in den baltischen Staaten im Wissen um die NATO-Mitgliedschaft sicher deutlich besser als wenn sie ohne diese sich sonst als baldige nächste Opfer der russischen Grossmachtpläne ansehen müssten.

    Und wenn die Ukraine in der NATO gewesen wäre, hätte sich da Russland getraut, diese anzugreifen und unterwerfen zu wollen?

    Was im Westen halt ziemlich lange ignoriert wurde (und man sich lieber mit Gas und anderen Rohstoffen von Russland abhängig gemacht hat) ist die Angst der osteuropäschen Staate vor Russland, nicht zu unrecht wie man nun im Nachhinein sieht...

    Manche konnten sich rechtzeitig in EU und NATO retten, andere nicht.

    Ironie der Geschichte, in der Ukraine wollten viele eben lange nicht in die NATO und stehen nun dumm da. Hätten sie sich lieber viel früher (und nicht erst nach Anexion der Krim etc.) um einen NATO-Betritt gekümmert...

    Gruss

    Florian

  • Was zu den baltischen Staaten auch noch gesagt werden muss ist, dass die Doktrin der NATO bisher davon ausgegangen ist das die baltischen Staaten überrannt würden um sie später zurückzuerobern. Es sind keinesfalls ausreichend militärische Mittel stationiert, zum einen um Russland nicht übermässig zu provozieren und zum anderen wegen der Versorgungsproblematik (diese entschärft sich jedoch etwas durch den Beitritt von Schweden und Finnland.

    Jetzt wird darüber diskutiert diese Doktrin zu kippen und die Anzahl der stationierten Streitkräfte stark zu erhöhen... gehört das provozieren solcher Reaktionen auch zum Plan von Putin?

  • Übrigens, Liebesgrüsse aus Moskau:

    Gefälschtes Plakat: Spur der Desinformation führt nach Russland
    Die Schweizer Behörden rufen angeblich zum Denunzieren auf – wegen der Energiekrise. Die Verbreitung dieser Falschmeldung lässt sich nachzeichnen. Die Spuren…
    www.nzz.ch

    Das Bild der Frau stammt aus einer Bilddatenbank aus dem Internet. Es soll laut Bildbeschreibung eine Innenarchitektin zeigen, die am Handy über Projektdetails diskutiert. Auch die Vorlage für den Plakatrahmen und den Hintergrund kann online heruntergeladen werden.

    Das gefälschte Plakat suggeriert, dass den Behörden in der Schweiz aufgrund des Energiemangels die Kontrolle entgleitet. Ein Bild, das Russland immer wieder von Westeuropa zeichnet: eine Region, die im Chaos zu versinken droht.

    Unbestritten erinnern die Kommentarspalten von Websites zuweilen an digitale Obdachlosenheime, wo sich Verhaltensauffällige gerne versammeln. Rainer Stadler, NZZ vom 8. Mai 2012.

  • Jetzt müssen wir mal klären, worüber wir überhaupt diskutieren. Ich habe weiter oben lediglich gefordert, die expansiven Tendenzen der Nato nicht zu unterschätzen. Es kommen jetzt haufenweise Argumente, warum diese völlig berechtigt seien bzw. lediglich eine Antwort auf das Verhalten der Gegenseite darstellten etc. Das mag ja alles mehr oder weniger stimmen, nur ändert es im Endeffekt nichts an der Feststellung, dass (auch) die Nato expandiert. Es ist ja praktisch in jedem Konflikt so, dass jede Seite ihr eigenes Narrativ pflegt und ernsthaft daran glaubt, d.h. legitime Interessen zu verteidigen glaubt und die eigenen Aktionen nur als Reaktionen auf jene des Gegners ansieht.

    Auch mir liegt das Wertesystem des Westens (also welches genau?) näher als das derzeit in Russland praktizierte. Ich wurde politisch stark durch die Ereignisse in der CSSR 1968 geprägt und hatte grosse Hoffnungen in die von Gorbatschow angestossene Wende. Nach dem krachenden Scheitern dieses Versuchs stellt sich nun einfach die Frage, wie es nun weitergehen soll - und vielleicht auch, was man hätte besser machen können oder bei einer nächsten sich bietenden Gelegenheit besser machen müsste.

    Zu euren Antworten im Einzelnen:

    Wie misst man die Effizienz solcher Aktivitäten?

    Vielleicht einfach an den Geschehnissen der letzten 15-20 Jahre? Was hat Russland vorzuweisen? (...) Was hat der Westen dem entgegenzusetzen?

    Russland:

    - Verlust der Kontrolle über die Warschauer Pakt/Comecon-Staaten

    - Auseinanderbrechen der Sowjetunion

    - Völliger Bedeutungsverlust des Dreierbündnisses mit Weissrussland und der Ukraine

    - "Fuss in der Türangel" durch Unterstützung separatistischer Bewegungen in der Ostukraine und in Transnistrien

    - Relative Stabilisierung der Verhältnisse in Zentralasien

    - Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien

    - Unterstützung afrikanischer Staaten (z.B. Mali) gegen islamistiche Terrormilizen

    Nato:

    - Schrittweise Erweiterung der Nato:

    --- DDR

    --- CSSR, Ungarn, Polen

    --- Rumänien, Bulgarien

    --- Litauen, Lettland, Estland (unter Brüskierung russischer Bevölkerungsminderheiten)

    - Ukraine materiell (aber nicht juristisch) in die Nato integriert

    - Moldawien auf westlich orientiertem Kurs

    - Zerschlagung Jugoslawiens, Kosovo als faktische Kolonie der USA

    - Annäherungsversuche an zentralasiatische Staaten mit wechselhaftem Erfolg

    - Keine Unterstützung der Sanktionspolitik durch Schwellen- und Entwicklungsländer

    - Griechenland wird durch Nato-Partner Türkei bedroht

    - Taiwanfrage bleibt ungeklärt (Beharren auf Völkerrecht dürfte hier keine Lösung bringen)

    (...) das ist nämlich der Hintergrund des Regimechanges von Juschtschenko zurück zu Janukowytsch und wird als Vorgeschichte des "Euromaidan" gerne echlii ausgeblendet.

    In der Ukraine herrscht praktisch seit der Unabhängigkeit ein ständiges Gezerre zwischen eher westlich und eher Richtung Russland orientierten Kräften, unter reger Beteiligung entsprechender ausländischer 'Helfer' beider Seiten. Da wird gar nichts ausgeblendet. (Neu ist seit 2014 allerdings, dass die westlich orientierten Kräfte den totalen Durchmarsch proben und auf die Befindlichkeit der mehr oder weniger stark an Russland gebundenen Bevölkerungsteile keinerlei Rücksicht mehr nimmt.)

    UNd weiterhin - ujnd vor allem - das sukzessive Abhängigmachen von Westeuropa von russischem Gas und Öl einschliesslich des Erwerbs kritischer Infrastrukturen

    Sorry wenn ich da etwas schmunzeln muss. Auch der Westen betreibt hybride und pschologische Kriegsführung, was z.B. einschliesst, alles, was Russland tut oder unterlässt, als Teil eines perfiden Plans zur Zerstörung des Westens hinzustellen. Putin zwingt niemandem sein Gas auf. Es ist der Westen, der plötzlich merkt, dass, wenn man alle Wirtschaftsbeziehungen mit Russland abbricht, halt dann vielleicht plötzlich auch kein Gas mehr fliesst. Die Theorie eines Wirtschaftskriegs der US-Frackingindustrie gegen Russland und Europa will ich hier mal nicht weiter ausführen.

    Maximal den Erfolg des "Euromaidan", wenn man den denn - wie ich es aus Deinen Ausführungen immer mal wieder herauszuonterpretieren meinte - als "Werk des Westens" interpretieren möchte.

    Das interpretierst du zumindest teilweise richtig. Wie bereits oben gesagt: Die Energie muss in solchen Fällen schon aus der Bevölkerung kommen, aber das Händchen, dass sie in die 'richtige' Richtung lenkt, hält sich natürlich möglichst diskret im Hintergrund - wobei hier dummerweise ein Telefonat der US-Politikerin Victoria Nuland mit Botschafter Pyatt vom 4. Februar 2014 von den Russen abgehört wurde, in dem sie nicht nur die EU beleidigte, sondern das zu verfolgende 'Szenario' inkl. den zu bevorzugenden neuen Premierminister besprach - notabene genau der, welcher es drei Wochen später tatsächlich werden sollte. Alles Zufall?

    Bezüglich "Expansionsdrang" der Nato: Vermutlich ist die Nato her genau deshalb erfolgreicher, weil sie auf Samtpfoten daher kommt (...)

    Ähhhm - was jetzt? Vorhin hast du noch gejammert, wie der Nato die Felle davonschwimmen, jetzt aber siehst du plötzlich doch, dass sie insgesamt erfolgreicher agiert?

    Zusagen das es keine Ostexpansion geben wird waren rein mündliche Aussagen von Politikern.

    Auch mündliche Verträge sind rechtlich verbindlich, können aber mit Beweisschwierigkeiten verbunden sein. Natürlich war es fahrlässig von Gorbatschow und Jelzin, sich hier mit mündlichen Zusagen zufriedengegeben zu haben. Aus damaliger Sicht mag das aber vertrebar erschienen sein, da man eine Entwicklung, wie sie in der Folge stattfand, sich schlicht nicht vorstellen mochte.

    Je nachdem wie tief man gräbt, aber in meinen Augen wurde der Grundstein für die jetztige Misere in Europa im Jahr 2003 durch G. W. Bush gelegt als er Putin gezeigt hat, dass die USA mit dem vereinigten Königreich einen unliebsamen Diktator stürzen geht.

    Seit daher sind die Beziehungen des Westens mit Russland langsam den Bach runtergegangen. Dies hat auf der Welt aber kaum einer mitbekommen, allerdings hätte nach der Ansprache von Putin an der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahre 2007 eigentlich allen klar werden sollen, dass der zweite kalte Krieg gerade anfängt.

    Das bringt es genau auf den Punkt.

    Meines Wissens hat die NATO keine Raketen in Osteuropa stationiert, die Moskau erreichen können.

    Wozu denn? Die anderswo stationierten Interkontinentalrakteten reichen doch vollauf.

    Was im Westen halt ziemlich lange ignoriert wurde (und man sich lieber mit Gas und anderen Rohstoffen von Russland abhängig gemacht hat) ist die Angst der osteuropäschen Staate vor Russland, nicht zu unrecht wie man nun im Nachhinein sieht...

    Manche konnten sich rechtzeitig in EU und NATO retten, andere nicht.

    Ironie der Geschichte, in der Ukraine wollten viele eben lange nicht in die NATO und stehen nun dumm da. Hätten sie sich lieber viel früher (und nicht erst nach Anexion der Krim etc.) um einen NATO-Betritt gekümmert...

    Das wurde doch überhaupt nicht ignoriert, und mit der Aufnahme der Ex-WaPa-Staaten und ehemaliger Sowjetrepubliken wurde Russlands Toleranz ja bis an die Grenze des Zumutbaren strapaziert. Dabei war aber eben auch von Anfang an klar, dass es spätesens bei Weissrussland und der Ukraine eine rote Linie gab. Dass in der Ukraine fast alle lange nicht in die Nato wollten, dafür gab es gute Gründe, denn sie wussten ganz genau, dass ein solcher Schritt ihr Land zerreissen würde.

    Was zu den baltischen Staaten auch noch gesagt werden muss ist, dass die Doktrin der NATO bisher davon ausgegangen ist das die baltischen Staaten überrannt würden um sie später zurückzuerobern. Es sind keinesfalls ausreichend militärische Mittel stationiert, zum einen um Russland nicht übermässig zu provozieren und zum anderen wegen der Versorgungsproblematik (diese entschärft sich jedoch etwas durch den Beitritt von Schweden und Finnland.

    Jetzt wird darüber diskutiert diese Doktrin zu kippen und die Anzahl der stationierten Streitkräfte stark zu erhöhen... gehört das provozieren solcher Reaktionen auch zum Plan von Putin?

    Wenn das tatsächlich so ist, dass man gar nicht fähig wäre, in einem Bündnisfall diese Länder zu verteidigen, dann war das sträfliche Grobfahrlässigkeit, die man jetzt nicht mit angeblicher Rücksicht auf Putin schönreden muss. Wenn man nicht in der Lage war, der Bündnisverpflichtung nachzukommen, wäre man sie besser gar nicht erst eingegangen. Eigene Planlosigkeit als Plan des Gegners zu denunzieren, finde ich dann doch etwas erbärmlich.

  • Übrigens, Liebesgrüsse aus Moskau:

    https://www.nzz.ch/technologie/ei…rnet-ld.1702736

    Hat irgendjemand dieses Plakat je in Echt gesehen?

    Oder sogar in den sozialen Medien?

    Oder ist es eine Falschmeldung über eine Falschmeldung?

    Zu Coronazeiten gab es schon viele angeblich gefälschte Plakate und gefälschte Informationen, das hat ja Tradition.

    3 Mal editiert, zuletzt von amogles (15. September 2022 11:22)

  • Zu den einzeln herausgegriffenen Zitaten:

    1. ("Länderliste")

    Vielleicht habe ich den Zeitraum mit "15-20 Jahren" auch schon etwas lang definiert und hätte eher "10-15 Jahre" schreiben müssen. Dadurch, dass Du ihn weiter ausdehnst, kommst Du auf ein deutlich positiveres Ergebnis für die "NATO-Seite" als ich. Mein Ansatzpunkt war hier der "quasi vollendete Zustand", der sich aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion ergeben hatte und als logische Folge - auch mit Blick auf die Welt der Zwischenkriegszeit - durchaus zu erwarten war (d.h. mindestens eine Westorientierung der mittel- und ostmitteleuropäischen Staaten einschl. Beitritt zur EU - und damit relativ logischerweise auch zur NATO). In Deiner Rechnung beziehst Du Dich auf die bipolare Weltordnung des Kalten Kriegs und billigst Russland als "Rechtsnachfolger" der Sowjetunion quasi "per Naturrecht" die Einflussspähre zu, die am 9.Mai 1945 bestand (ggfs. unter Abzug der 5 ostdeutschen Länder und des vormaligen Ostsektors von Berlin). Und ich glaube, genau hier setzt unsere unterschiedliche Bewertung an - denn ich stelle erfreut fest, dass wir in vielen Fragen nicht so weit voneinander entfernt liegen.

    Aus russischer Sicht mag das ein nachvollziehbarer Anspruch sein, in meinen Augen ist der aber objektiv genauso wenig oder viel nachvollziehbar wie irgendwelche revanchistischen Ansprüche der Deutschen bzw. Österreicher (das vermischte sich ja auch vor dem "Anschluss" sehr schnell - übrigens nicht nur aus Deutscher, sondern z.B. auch aus britischer Sicht. Dort wurde in gewissen kreisen, denen Chamberlain zumindest zeitweise politisch nahestand, der weder staats- noch völkerrechtlich noch historisch irgendwie begründbare Anspruch Deutschlands auf die deutsch besiedelten Gebiete der CSR ja auch durchaus als berechtigt angesehen, das Münchner Abkommen hätte es sonst nie so geben können).

    Hier wie da gilt aber, dass im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens der Völker faktisch eingetretene Veränderungen der politischen Weltlage irgendwann akzeptiert werden müssen und die aktuelle Politik daran ausgerichtet werden muss, da alles andere unweigerlich irgendwann in einem Krieg endet (wie wir jetzt sehen).

    2. "Gas"

    Das stimmt im Übrigen so nicht. Im Fall der ehemaligen Sowjetrepubliken bzw. "Vasallenstaaten" (aus rusisscher Sicht) ist das durchaus passiert.

    Im Fall des Westens gebe ich Dir Recht, da liegt m.E. eine Mischung aus westlicher Ignoranz und erfolgreicher propagandistischer Arbeit einer gut geschulten ex-sowjetischen Geheimdienstmaschinerie vor. Schauen wir auf Deutschland - in diesem Fall aus meiner Sicht Paradebeispiel für etwas, für das mir nur noch das Wort "Blödheit" einfällt: Das Land war mal Spitzenreiter in der Technologie erneuerbarer Energien. Dann wurden entsprechende Förderungen gestrichen, es gingen massiv Arbeitsplätze verloren - in der Regel aber von kleineren und mittelständischen Betrieben ohne grossartige politische Lobby. In anderen etablierten Energiesparten wäre das so nie möglich gewesen - man denke an die ganzen staatlichen sauteuren Förder- und Umstrukturierungsprogramme, mit denen man dem Wahlvolk irgendwie den Ausstieg aus den Resten der Kohleförderung schmackhaft zu machen versucht. Gleichzeitig wird massiv mehr Öl und Gas aus Russland importiert und sogar die zugehörige kritische Infrastruktur russischen Unternehmen übereignet. Das kann (und muss m.E.) eindeutig auf der "Positivliste" der "russischen Seite" ergänzt werden. Ich habe bisher auch den Fehler gemacht, den Zusammenhang von wirtschaftlichem und politischem Handeln zu unterschätzen. Gerade, wenn die Wirtschaft zwar kapitalistisch, aber dennoch in wesentlichen Teilen staatlich gelenkt ist, ist dieser Zusammenhang elementar.

    3. "Ähhm - was jetzt"

    In meinen Augen sind beide Befunde eben kein Widerspruch:

    Zum einen liegen beide - scheinbar gegenläufigen - Effekte zeitlich nicht unbedingt parallel. Der Erfolg der NATO, durch "soft power" neue Mitglieder zu werben, ist in den meisten Fällen zeitlich früher anzusiedeln als die von mir erwähnte erfolgreichere nachrichtendienstliche Tätigkeit Russlands im Vergleich zu der des Westens.

    Zudem sinds zwei paar Schuhe: im einen Fall entscheiden sich souveräne Staaten für ein Bündnismodell, das ihnen attraktiver erscheint (aus bereits vielfach erläuterten Gründen), im anderen Fall arbeitet eine clandestine Organisation daran, den Einflussbereich des hinter ihr stehenden Staates zu stärken - das geht im russischen System, dass inbses. im Bezug auf die Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Geheimdienst ein postsowjetisches ist, nun mal wesentlich einfacher.

    4. Zitat von Florian

    Auch hier lässt mich Deine Antwort vermuten, dass Du immer noch die Theorie zugrund legst, dass es einen irgendwie gearteten Anspruch auf einen historisch gewachsenen Einflussbereich gibt. Und genau diesen "Besitzstand" sehe ich nicht als gegeben an. Wenn in der heutigen Welt Staaten der Ansicht sind, dass sie eine we auch immer geartete Führngsrolle zu übernehmen wünschen, dann sollen sie gefälligst um die "zu führenden" werben. Dann sieht man ja, wer erfolgreicher ist (in Afrika ist das z.B. aktuell nicht unbedingt der Westen). Militärische Gewalt sollte nach allen Erfahrungen des 20.Jahrhunderts nicht unbedingt mehr zu den Methoden gehören, einen solchen seöbstgewählten "Führungsanspruch" durchzusetzen.

    Was mich abschliessend zu der Überlegung bringt, wozu so ein "Führungsanspruch" eigentlich gut ist. Braucht es in der heutigen globalisierten Welt (bzw. vermutlich muss man - leider - sagen: "in der globalisierten Welt von vor 5 Jahren") territorial ausgerichtete "Führungsmächte"? Ich würde das mal verneinen wollen. Ausser, dass es dem Ego einzelner Staatenlenker etwas bringt, sehe ich eigentlich für niemanden irgendwelche Vorteile. Aber evtl. bini da eifach echlii naiv....

  • Du träumst von einer Welt, in der das Völkerrecht verbindlich gilt und konsequent durchgesetzt wird. Und ich bin hier ganz bei dir. Nur stehen wir im Moment leider woanders. Atommächte können den Rest der Welt erpressen, und zwar umso leichter, je weniger für sie Menschenleben zählen. Jetzt müssen wir uns überlegen,
    a) wir wir mittel- bis längerfristig vom einen in den anderen Zustand wechseln können und

    b) wie wir kurzfristig mit den Widersprüchen der Gegenwart umgehen.

    Faktisch ist ja kein ernstzunehmender Politiker, keine Politikerin und auch kein anderweitiger politisierender Mensch der Meinung, man könne die Ukraine trotz ungelöster Grenzkonflikte in die Nato aufnehmen - obwohl dies vom Völkerrecht her ja jederzeit möglich sein müsste.

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