• - UnterstĂŒtzt wird dieser Punkt zumindest in Deutschland dadurch, dass ich den Eindruck habe, dass in diesem Land und seiner Gesellschaft (sofern man davon noch sprechen kann, ich nehme die inzwischen als scher erodierend wahr....) Bildung kein wirklicher gesellschaftlicher Wert mehr ist. Zum Beweis möge man sich die Sendefolge der diversen privaten Fernsehsender anschauen: Das ist in der Regel "Brot und Spiele" auf unterstem Niveau, der Zuschauer kann sich wahlweise an der Blödheit irgendwelcher "Reality-TV-Protagonist:innen" ergötzen oder daran, dass Menschen, deren IQ mutmasslich den einer Hutablage nur minim ĂŒbersteigt ("Die Geissens") trotzdem "so richtig Kohle" gemacht haben. Die AufzĂ€hlung liesse sich beliebig fortsetzen. Die Schweiz nehme ich hier immer noch wohltuend anders war - oder um den Vergleich eines sehr guten Freundes hier mal ins Spiel zu bringen "Wenn Du von der Schweiz nach Deutschland fĂ€hrst, ist es ein bisschen so, wie wenn Du beim Fernsehen von "Arte" auf "RTL 2" wechselst.

    Nun, die Schweiz hat kein solches Privat-TV-Angebot wie es in Deutschland existiert. Insofern muss der Vergleich m.E. zwischen SRF und ARD/ZDF erfolgen. Da erkenne ich wenig Unterschiede hinsichtlich des Programmniveaus. LÀsst man diesen Punkt aussen vor, so gebe ich dir Recht. Es ist jedoch auch so, dass sich die qualitativ höherwertigen Angebote zu erheblichen Teilen zu Amazon Prime und Netflix verschoben. Das lineare Fernsehen hat bei "normalen" Menschen (man entschuldige mir den Ausdruck, aber ich denke es ist klar wie es gemeint ist) nur noch begrenzt Relevanz. Es sind schlussendlich auch nicht die Menschen, die den ganzen Tag auf dem Sofa verbringen.

  • Das ist fraglos richtig. Allerdings war das Fernsehen nur ein von mir gewĂ€hltes Beispiel. Dass sich Menschen mit Hpchschulabschluss beim Tageszeitungsangebot der GKA (als es das noch gab) regelmĂ€ssig mit der "BLÖD"-Zeitung beliefern liessen, mag als weiteres Indiz gelten. (Klar, jetzt kann man auch einwenden, in der Schweiz gĂ€be es auch ein solches ANgebot nicht, denn der "Blick" ode die "20 Minuten" sind gegen dieses Presseerzeugnis hohe Literatur - aber dann muss man vielleicht auch die Frage stellen, warum das so ist).

  • Nun gut, bis zum "Rosenkavalier" und seinem weiblichen Pendant hat es 3+ auch schon gereicht - und bereits da sieht man, wie begrenzt das Denkvermögen gewisser Menschen auch in der Schweiz sein kann... Aber immerhin entsenden wir noch keine Reality-Sternchen, die vor 1000 Jahren mal bei der Super-Nanny auf dem Straftreppchen sitzen mussten, in den Dschungel... Aber was nicht ist, kann ja noch werden...

    BĂ€rentritt Den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und niveaulosen "Zeitungen" lĂ€sst sich ja auch in Grossbritannien sehr gut beobachten, wo nicht die "Times" oder der "Guardian" die Unterhauswahlen entscheidet, sondern die "Sun". Und wer diese schon (berechtigterweise) als bedrucktes Toilettenpapier bezeichnet, erlebt dann sein blaues Wunder, wenn er oder sie dann die "Daily Mail" oder den "Daily Express" vorgesetzt bekommt. GegenĂŒber dieser schĂ€bigen Dreifaltigkeit ist sogar 20 Minuten ein QualitĂ€tsblatt. Und der "Blick" zeigt sich immerhin gegenĂŒber der Vergangenheit manchmal selbstkritisch, wie jĂŒngst im Artikel ĂŒber den kĂŒrzlich verstorbenen frĂŒheren Fussballnatitrainers Artur Jorge im Zusammenhang mit einer primitiven Schlagzeile wĂ€hrend der EM 1996: (https://www.blick.ch/sport/fussball
id19462269.html).

    Aber zurĂŒck zum Thema: Mit einfachen Schlagwörter gewinnt man Wahlen, gewisse politische Seiten mĂŒssen da nur simple Schlagwörter in den Raum werfen, die Angst und Sorge schĂŒren, ungeachtet, ob die Thematik in Tat und Wahrheit doch ein wenig komplexer ist. Und genau diese politische Kraft in der Schweiz ist seit 20 Jahren bei Parlamentswahlen stets wĂ€hlerstĂ€rkste Partei, obwohl von ihr selten konstruktive VorschlĂ€ge kommen, sondern nur Ablehnung und Forderungen, die dann die anderen erfĂŒllen mĂŒssen. Aber selbst Verantwortung ĂŒbernehmen liegt ihnen fremd.

    Schade finde ich die fehlende Selbstreflexion, dass man keinen Millimeter von seiner Meinung abrĂŒckt, auch wenn diese argumentativ lĂ€ngst widerlegt ist. Und das hat in den letzten Jahren markant zugenommen, jedenfalls mein GefĂŒhl.

  • Wenn hundert Menschen zum Fenster in den Regen rausschauen und 99 sagen „es regnet“ und einer sagt „es regnet nicht“ ist es halt nicht so, dass eine 1%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass es nicht regnet. Es besteht die 100%ige Gewissheit, dass einer falsch liegt.

    Danke fĂŒr diesen Satz! Ich habe jahrelang Erkenntnistheorie studiert und kenne alle Ambivalenzen. Doch manchmal muss man einfach sagen: Wir sind alle Zwerge auf den Schultern von Giganten. Bloss denken heutzutage viel zu viele, sie selber seien die Giganten ...

  • Wenn hundert Menschen zum Fenster in den Regen rausschauen und 99 sagen „es regnet“ und einer sagt „es regnet nicht“ ist es halt nicht so, dass eine 1%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass es nicht regnet. Es besteht die 100%ige Gewissheit, dass einer falsch liegt.

    Das Problem ist heute aber oft, der eine redet so lange auf einen anderen ein, der selber gerne an Verschwörungstheorien glaubt, bis der auch ĂŒberzeugt ist, doch keinen Regen gesehen zu haben. Die beiden machen dann soviel Radau, bis es zu einer Diskussion im Fernsehen darĂŒber kommt. Um "ausgewogen" zu sein, werden dann aber je zwei Leute von jeder Seite eingeladen (sprich die beiden VerschwörungsanhĂ€nger und willkĂŒrlich zwei der 98 anderen). Und oh wunder, die vier Diskutanten werden sich nicht einig und die Frage ob es nun regnet oder nicht kann nicht "geklĂ€rt" werden und bleibt "offen". Und beim wenig uninformierten Zuschauer bleiben dann Zweifel ob es wirklich regnet.

    Hier sehe ich dann auch ein Problem des Journalismus bzw. des unregulierten Internets, um solche unausgewogenen Diskussionen zu vermeiden.

    Zu einer ernsthaften Diskussion einzuladen, ob z.B. die Erde eine Kugel oder Scheibe ist, und dann noch mit vermeindlich "ausgewogener" Wahl von Teilnehmern beider Seiten wĂ€re einfach nur schĂ€dlich. Durch die massive Bevorzugung und ĂŒberrepĂ€sentation der Flach-Erde-AnhĂ€nger wird hier unbewusst massiv Partei fĂŒr flache Erde genommen. Die Wahl der Teilnehmer ist eben nicht ausgwogen im Vergleich zur wissenschaflichen Erkentnis und auch nicht zu Gesamtbevölkerung. Eine gewisse Bevorzugung mag ja schon sinnvoll sein um Minderheitsmeinungen nicht völlig unter den Tisch Fallen zu lassen. Indem man ein Flacherde-Ververfechter mit fĂŒnf Kugel-Erde anhĂ€ngern diskutieren lĂ€sst, aber eben nicht 3 zu 3.

    Selbst 3:3 wĂŒrde fĂŒr manche nichts bringen, dann dann kĂ€me von den AnhĂ€ngern einer Hohlkugelerde auch nur, dass die LĂŒgenpresse mal wieder nur Schauveranstultung mit dem beiden von "denen"zur Ablenkung erfunden Erdevarianten bringt aber die Wahrheit der Hohlkugelerde wieder verschwiegen wird.

    Gruß

    Florian

  • Wenn hundert Menschen zum Fenster in den Regen rausschauen und 99 sagen „es regnet“ und einer sagt „es regnet nicht“ ist es halt nicht so, dass eine 1%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass es nicht regnet. Es besteht die 100%ige Gewissheit, dass einer falsch liegt.

    Danke fĂŒr diesen Satz! Ich habe jahrelang Erkenntnistheorie studiert und kenne alle Ambivalenzen. Doch manchmal muss man einfach sagen: Wir sind alle Zwerge auf den Schultern von Giganten. Bloss denken heutzutage viel zu viele, sie selber seien die Giganten ...

    Wir sind hier in einem Seitenthema eines Seitenthemas. Die letzten BeitrÀge dazu rufen nach einer eingehenden Entgegnung. Bevor ich dazu ansetze, möchte ich aber die Moderation bitten, diesen Faden (mindestens ab Beitrag 457, ev. auch inkl. 453 oder dem ersten Abschnitt davon) in einen eigenen Thread auszulagern; der Titel könnte z.B. lauten: Verschwörungstheorien, Statistik und Erkenntnistheorie.

    FĂŒr den Moment aber dennoch eine kurze Antwort an Tom: Ich schĂ€tze dich wirklich sehr als einer, der manchmal auch unangenehme Wahrheiten pointiert auf den Punkt zu bringen vermag. Hier aber bin ich doch etwas erstaunt und geradezu versucht, dir zu unterstellen, von deinen jahrelangen Studien enttĂ€uschend wenig profitiert zu haben.

    Nimmt man das Beispiel so, wie es wohl gemeint sein dĂŒrfte, ist völlig klar: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Aussenseiter recht hat, ist sehr sehr klein, aber nicht null. In der Praxis wĂŒrde ich in dieser Situation auf jeden Fall den Regenschutz mitnehmen. Befasst man sich aber auf erkenntnistheoretischer Ebene mit solchen Beispielen, so kann man sehr unwahrscheinliche FĂ€lle nicht einfach so mit unmöglichen gleichsetzen. Der Unterschied kann ĂŒbrigens sehr wohl auch praxisrelevant werden, wenn es z.B. um die Beurteilung von Restrisiken von Kernkraftwerken geht. Ein naher Verwandter von mir fand sich z.B. einst in beruflicher Funktion in einer solchen Aussenseiterposition und sollte spĂ€ter durch die Havarie eines Versuchsreaktors, der nebenbei gesagt auch den Grundstein fĂŒr ein schweizerisches Atomwaffenprogramm hĂ€tten legen können, Recht erhalten.

    Schaut man das Beispiel indes auch inhaltlich etwas genauer an, so fĂ€llt auf: Es ist gar nicht möglich, dass 100 Leute zur gleichen Zeit zum gleichen Fenster hinausschauen - möglich sind höchstens etwa drei bis fĂŒnf. Mindestens 95 Leute mĂŒssten in diesem Beispiel also schlicht die EinschĂ€tzung eines MeinungsfĂŒhrers ĂŒbernommen haben. Ob in diesem Fall der MeinungsfĂŒhrer oder der Aussenseiter genauer hingeschaut hat, steht m.E. wieder so ziemlich 50:50.

    Eines steht fĂŒr mich fest: Mit moralisierenden Argumenten Ă  la "Du nimmst dich zu wichtig" wird man der gefĂ€rhlich wachsenden Zahl von Verschwörungstheoretikern nicht beikommen.

    Daneben fÀnde ich auch das mathematische Problem noch spannend, wie man genau die Wahrscheinlichkeit ermittelt, dass doch der Aussenseiter recht haben könnte. (Habe den eleganten Lösungsweg bisher noch nicht gefunden.)

  • Jetzt noch zum Ukraine-Konflikt: Ich bin da auf eine interessante Quelle gestossen. Frau Sarotte spricht einige Dinge an, die mir auch nicht bekannt waren oder die ich vielleicht inzwischen vergessen hatte, z.B. dass gewisse fatale Weichenstellungen, die wir heute Putin anlasten, wohl bereits auf Jelzin zurĂŒckzufĂŒhren sind.

  • Nur mal noch kurz als Zwischenruf nach mittlerweile 34 Seiten mit viel "Whataboutism", Interpretationen und Verklausulierungen:

    1. 2022 hat Russland mit massivem MilitĂ€reinsatz die Ukraine angegriffen, obwohl vorher ĂŒber Monate hinweg das Gegenteil behauptet wurde (Truppenaufmarsch ist nur ein Manöver innerhalb Russlands, keiner hat die Absicht jemanden anzugreifen)
    2. Es gibt viele Hinweise ĂŒber schwere Kriegsverbrechen gegenĂŒber der Zivilbevölkerung in den ersten Monaten des Krieges durch die Russische Armee (Was Russland natĂŒrlich klar als Propaganda abtut)
    3. Im Winter 2022/2023 wurde die Ukraine Nachts regelmÀssig und glÀchendeckend mit Raketen und Marschflugkörpern angegriffen, getroffen worden sind fast ausschliesslich zivile Infrastrukturen (bei derart viel Zerstörung wird es aber schwer dies nur als Propaganda abzutun), damit wird die Zivilbevölkerung nahezu konstant Terrorisiert
    4. 2023 wurde der "Kakhovka Dam" zerstört (nicht nur beschÀdigt), zu dieser Zeit war der Damm durch Russland besetzt und daher liegt der Verdacht nahe das bei einer derartigen Zerstörung nur eine Sprengung von Innen möglich war...


    Ich möchte mit diesen paar Punkten (es gibt noch viel mehr...) mal wieder folgendes in Erinnerung rufen:

    • Es ist absolut eindeutig klar wer hier der Aggressor und damit der Verantwortliche fĂŒr den eigentlichen Krieg (der direkte Schuldige) ist
    • Dass der Terror dem das ukrainische Volk hier ausgesetzt wird, einen seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehenen Zustand darstellt
    • Der Aggressor wĂ€hrend der Vorbereitung fĂŒr diesen Krieg gelogen hat, dass sich die Balken biegen: wieso sollte den Aussagen dieses Machtapparates geglaubt werden?
  • Es ist absolut eindeutig klar wer hier der Aggressor und damit der Verantwortliche fĂŒr den eigentlichen Krieg (der direkte Schuldige) ist

    Stimmt, und das zieht ja auch kaum jemand in Zweifel. Strittig ist höchstens, ob es auch indirekt Schuldige gibt und was ĂŒber deren Beitrag ggf. zu sagen wĂ€re. (Insofern als es sich dabei um ReprĂ€sentanten von Demokratien geht, hĂ€tten die sich auch an anderen MassstĂ€ben messen zu lassen als Diktatoren.)

    Dass der Terror dem das ukrainische Volk hier ausgesetzt wird, einen seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehenen Zustand darstellt

    Da gibt es nichts zu beschönigen. Bei "nie gesehen" stellt sich aber schon die Frage, wohin man schaut, also auch ĂŒber die Grenzen Europas hinaus oder nicht. In ersterem Fall ... (ich will da gar nicht weiter ins Detail gehen).

    Der Aggressor wĂ€hrend der Vorbereitung fĂŒr diesen Krieg gelogen hat, dass sich die Balken biegen: wieso sollte den Aussagen dieses Machtapparates geglaubt werden?

    Das ist in der Politik auf dieser Flughöhe leider eher die Regel als die Ausnahme. Die Aussagen aller Parteien mĂŒssen dabei stets akribisch hinterfragt werden.

  • Dass der Terror dem das ukrainische Volk hier ausgesetzt wird, einen seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehenen Zustand darstellt

    Im Nahen Osten kĂ€men mir da spontan mehrere Konflikte der letztenbeiden Jahrzehnte in den Sinn, bei denen eine ganz bestimmte Grossmacht sehr aktiv gezĂŒndelt bzw. den Krieg erst ins Rollen gebracht hat.

    Der Aggressor wĂ€hrend der Vorbereitung fĂŒr diesen Krieg gelogen hat, dass sich die Balken biegen: wieso sollte den Aussagen dieses Machtapparates geglaubt werden?

    Korrekt. Nur, die andere Seite hat genau so gelogen. Man kann nicht Russland versprechen die Nato nicht weiter Richtung Osten auszudehnen, dies dann aber der Ukraine mehr oder weniger aktiv anbieten bzw. sich dort stationieren, wenn auch nicht in erster Linie militÀrisch.

  • Korrekt. Nur, die andere Seite hat genau so gelogen. Man kann nicht Russland versprechen die Nato nicht weiter Richtung Osten auszudehnen, dies dann aber der Ukraine mehr oder weniger aktiv anbieten bzw. sich dort stationieren, wenn auch nicht in erster Linie militĂ€risch.

    Dann halt noch ein Faktencheck: Einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, der eine solche Abmachung enthĂ€lt, gibt es nicht. Im Gegenteil: Russland hat sich durch mehrere VertrĂ€ge dazu verpflichtet, die staatliche SouverĂ€nitĂ€t anderer LĂ€nder zu akzeptieren, insbesondere die der Ukraine. In der Russland-NATO-Grundakte erkennt Russland an, dass es kein Vetorecht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer LĂ€nder hat. Moskau bekam dafĂŒr auch etwas, nĂ€mlich zum einen weitere wirtschaftliche UnterstĂŒtzung

  • Eine völkerreichtlich bindende Verpflichtung gab es nicht, das stimmt. Aber das ist eben auch nicht die ganze Wahrheit - diese ist schon etwas komplizierter. In dieser oben schon einmal verlinkten Quelle wird das Ganze etwas umfassender dargelegt, und zwar wirklich nicht aus einseitig russlandfreundlicher Perspektive. Ich wĂŒrde mal sagen, es ist schon etwas unglĂŒcklich gelaufen. Und es kam ja dann eben auch noch mehr dazu. (Und ja, die Linie der Russen war nicht ganz gradlinig.)

  • Ist es nicht ironisch, dass ein Land, welches auf das internationale Recht sch... versucht eigene Kriegsverbrechen mit nicht exisitierenden Abmachungen zu rechtfertigen? Und ist es nicht traurig, dass sie fĂŒr diese WiderwĂ€rtigkeiten auch noch FĂŒrsprecher finden?

  • Vielleicht lohnt in diesem Zusammenhang auch noch mal der Blick auf die innenpolitischen VorgĂ€nge in Russland: nĂ€mlich die Art und Weise, wie unliebsame Stimmen der Opposition aus dem Weg gerĂ€umt wurden. Dies begann (z.B. Politkowskaja) schon recht frĂŒh in der PrĂ€sidentschaft Putins (2006), mithin deutlich vor dem Verdikt eines Barak Obama, Russland sei nur noch eine Regionalmacht, das man uns hier auch schon als Mitauslöser fĂŒr den Überfall auf die Ukraine verkaufen wollte. Die Reihe lĂ€sst sich recht beliebig fortsetzen. In diesem Zusammenhang finde ich dem Begriff "BRD des 21.Jahrhunderts" fĂŒr die Ukraine interessant, der in dem von Fahrer Schwarz dankenswerterweise nunmehr zweimal verlinkten Artikel auftaucht. M.E. liegt deutlich eher der SchlĂŒssel zum Überfall als in allen tatsĂ€chlichen oder vermeintlichen GeringschĂ€tzungen oder WortbrĂŒchen des Westens: die Öffnung der Ukraine und v.a. von namhaften Teilen der ukrainischen Bevölkerung fĂŒr eine pluralistische Gesellschaft stellt eine nicht zu unterschĂ€tzende GefĂ€hrdung fĂŒr die aktuell herrschende Clique in Russland dar, denn sie fĂŒhrt den Teilen der russischen Bevölkerung, diensich dafĂŒr interessieren, vor Augen, dass es auch anders geht. Dies erklĂ€rt einerseits die Propaganda von den ukrainischen Nazis, mit der man Russland das kollektive Bewusstsein recht erfolgreich "triggern" ebensonwie das Ziel der physischen Auslösung der ukrainischen Regierung und weiterer identitĂ€tsstiftender Elemente der dortigen Gesellschaft.

  • M.E. liegt deutlich eher der SchlĂŒssel zum Überfall als in allen tatsĂ€chlichen oder vermeintlichen GeringschĂ€tzungen oder WortbrĂŒchen des Westens: die Öffnung der Ukraine und v.a. von namhaften Teilen der ukrainischen Bevölkerung fĂŒr eine pluralistische Gesellschaft stellt eine nicht zu unterschĂ€tzende GefĂ€hrdung fĂŒr die aktuell herrschende Clique in Russland dar, denn sie fĂŒhrt den Teilen der russischen Bevölkerung, diensich dafĂŒr interessieren, vor Augen, dass es auch anders geht.

    Macht es fĂŒr die an politischen Alternativen interessierten Teilen der russischen Gesellschaft wirklich so einen grossen Unterschied, ob diese im Nachbarland Ukraine umgesetzt werden oder nur im Westen? Wir befinden uns ja (auch in Russland) nicht mehr in einem Zeitalter, wo Informationen nur durch MeldelĂ€ufer und berittene Boten verbreitet werden.

    Ich denke, dieser Punkt könnte sich fĂŒr Putins Machtpolitik sogar eher noch als Rohrkrepierer erweisen, wenn nĂ€mlich zu viele Ukrainer(innen) zu russischen StaatsbĂŒrgern gemacht werden.

    Das psychologische Moment (GeringschĂ€tzung) war eine Sache, eine andere war die fortwĂ€hrende Verschiebung der Grenze zwischen den beiden EinflusssphĂ€ren. Es wird hier immer wieder argumentiert, dass diese ja von den Direktbetroffenen gewĂŒnscht wurde. Dem widerspricht ja auch niemand, aber ganz abgesehen von der Wertung haben wir es hier mit einem Faktum zu tun, das aus russischer Perspektive eben schon auch als bedrohlich wahrgenommen werden kann.

    Bis 2014 hatte die Ukraine intern kein Imteresse an einem NATO Beitritt. Was könnte ihre Meinung geÀndert haben?

    Da gibt es eine einfache Antwort: Die vom Westen geförderte Übernahme der Regierungsmacht durch ein Nato-freundliches Regime, bei der man sich auch klar faschistischer Akteure bediente.

  • Da gibt es eine einfache Antwort: Die vom Westen geförderte Übernahme der Regierungsmacht durch ein Nato-freundliches Regime, bei der man sich auch klar faschistischer Akteure bediente.

    Neben der einfachen gÀbe es auch noch die richtige Antwort: Der Einmarsch Russlands auf der Krim...

    Damit wir nicht jede deiner nachgeplapperten Verschwörungstheorien einzeln auseinanderpflĂŒcken mĂŒssen, hier gibt es uehn auf eine Streich:

    https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_37844_1.pdf/b89b953d-aecd-31b9-6c39-166d5b47b898?version=1.0&t=1539661349983

    Unter anderem ist da auch die "vom Westen geförterte Übernahme" dabei.

    Gruss, Michael

    Einmal editiert, zuletzt von triple (25. Februar 2024 23:05)

  • Macht es fĂŒr die an politischen Alternativen interessierten Teilen der russischen Gesellschaft wirklich so einen grossen Unterschied, ob diese im Nachbarland Ukraine umgesetzt werden oder nur im Westen? Wir befinden uns ja (auch in Russland) nicht mehr in einem Zeitalter, wo Informationen nur durch MeldelĂ€ufer und berittene Boten verbreitet werden.

    Ich denke, dieser Punkt könnte sich fĂŒr Putins Machtpolitik sogar eher noch als Rohrkrepierer erweisen, wenn nĂ€mlich zu viele Ukrainer(innen) zu russischen StaatsbĂŒrgern gemacht werden.

    Das psychologische Moment (GeringschĂ€tzung) war eine Sache, eine andere war die fortwĂ€hrende Verschiebung der Grenze zwischen den beiden EinflusssphĂ€ren. Es wird hier immer wieder argumentiert, dass diese ja von den Direktbetroffenen gewĂŒnscht wurde. Dem widerspricht ja auch niemand, aber ganz abgesehen von der Wertung haben wir es hier mit einem Faktum zu tun, das aus russischer Perspektive eben schon auch als bedrohlich wahrgenommen werden kann.

    Bis 2014 hatte die Ukraine intern kein Imteresse an einem NATO Beitritt. Was könnte ihre Meinung geÀndert haben?

    Da gibt es eine einfache Antwort: Die vom Westen geförderte Übernahme der Regierungsmacht durch ein Nato-freundliches Regime, bei der man sich auch klar faschistischer Akteure bediente.

    Ich denke schon, dass es einen Unterschied macht: Wenn nĂ€mlich derartige LebensverhĂ€ltnisse in einem Land Ă€hnlicher (sowie teilweise gleicher Sprache - an dieser Stelle waren die zeitweiligen Versuche, gewisser politischer Ukrainischer Kreise, die russische Sprache zurĂŒckzudrĂ€ngen oder zu benachteiligen, tatsĂ€chlich kontraproduktiv) Sprache, zu dessen Bevölkerung zudem intensive verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen bestehen (mittlerweise muss man wohl leider sagen: bestanden haben), dass wird das Leben in so einem Land als alternativer Lebensentwurf interessant. Nicht umsonst hatte die DDR mit ihrer Bevölkerung ein ungleich grösseres Problem als alle anderen Staaten des Warschauer Pakt: es gab den direkten "Gegenentwurf".

    Mit dem zweiten Punkt könntest Du Recht haben, vermutlich deshalb wurden (werden) auch in grossem Stil ukrainischstĂ€mmige Kinder ihren Familien entzogen, verschleppt und russifiziert. Dieses Verfahren kannte ich zuletzt von den Nazis, die "arisierungsfĂ€hige" Kinder aus den besetzten Gebieten entfĂŒhrten und sie dann im Rahmen der "Lebensborn"-Aktion "germanisierten". (Soviel ĂŒbrigens zum Thema "Nazis").

    Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass Du hier stĂ€ndig mantra-mĂ€ssig Deine rein aussen- und machtpolitisch begrĂŒndete Sicht wiederholst und zur alleinigen Basis Deiner Gegenthesen zu machen scheinst. Vor allem im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen UmwĂ€lzungen von 2014 spricht diese Sichtweise dem ukrainischen Volk jeden eigenstĂ€ndigen Willen zur VerĂ€nderung und degradiert es zum "willenlosen ErfĂŒllungsgehilfen" skrupelloser Machtpolitiker und Geheimdienste des Westens. (Zum Wahrheitsgehalt dieser Thesen hat User triple ja dankenswerterweise schon ein paar Gegenargumente publiziert).

    Jede BeschrĂ€nkung der Herleitung dieses Konflikts aus der reinen aussenpolitischen Lage blendet leider die Methoden aus, mit der die russische StaatsfĂŒhrung ihre Macht spĂ€testens seit der ersten PrĂ€sidentschaft Putins ausbaut und die sich nahtlos an die Methoden anschliesst, mit denen er an die Macht kam (angefangen mit der Kollaboration mit irgendwelchen Gangstersyndikaten in seiner Zeit in St.Petersburg). Wir haben es hier mit einem eiskalten, m.E. komplett skrupel- und gewissenlosen Machtmenschen zu tun, der dabei Ă€usserst geschickt agiert und dem es - leider - gelungen ist, grosse Teile seines Volks mit "Brot und Spielen" sowie gleichzeitiger UnterdrĂŒckung ("Knute" und "Wurst" sagen sie glaub in Russland dazu) recht gefĂŒgig zu machen. M.E. ĂŒbrigens tschekistisches Verhalten wie aus dem Lehrbuch (und zwar nicht nur dem "Grundkurs KĂŒchenpychologie"). Und da ordnet sich der Überfall auf die Ukraine m.E. nahtlos ein - Ziel "Ausschalten, bevor es gefĂ€hrlich wird".

  • Nicht umsonst hatte die DDR mit ihrer Bevölkerung ein ungleich grösseres Problem als alle anderen Staaten des Warschauer Pakt: es gab den direkten "Gegenentwurf".

    Die Empirie bestĂ€tigt aber diesen Mechanismus nicht unbedingt. In Ungarn und Polen war die Demokratisierung - oder wie auch immer du es nennen willst - bis 1989 deutlich weiter fortgeschritten als in der DDR. Zudem hatte die DDR neben dem direkten Gegenentwurf noch mit einem anderen, vielleicht eher noch schwerwiegenderen Problem zu kĂ€mpfen, nĂ€mlich dem Umstand, dass es im Westen einen Staat gab, der republikflĂŒchtige DDR-BĂŒrger ohne weiters als eigene anzuerkennen bereit war.

    Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass Du hier stĂ€ndig mantra-mĂ€ssig Deine rein aussen- und machtpolitisch begrĂŒndete Sicht wiederholst und zur alleinigen Basis Deiner Gegenthesen zu machen scheinst.

    Ich bin mir des Wiederholungsproblems durchaus bewusst und versuche ihm soweit wie möglich auszuweichen. Aber wollen wir uns jetzt wirklich gegenseitig vorrechnen, wer hĂ€ufiger in sein Ceterum censeo zurĂŒckfĂ€llt? Ausserdem habe ich halt nach wie vor den Eindruck, dass der geopolitische Teil des Problems in unseren Medien durchwegs unterbewertet wird und viele hierzulande (zumindest bis vor 2 Jahren) in der Illusion lebten, der Kalte Krieg sei gegessen. Ich hatte bei aller Freude ĂŒber Gorbatschows Entspannungspolitik stets den Gedanken im Hinterkopf, dass es nochmal ein böses Erwachen geben könnte.

    Vor allem im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen UmwĂ€lzungen von 2014 spricht diese Sichtweise dem ukrainischen Volk jeden eigenstĂ€ndigen Willen zur VerĂ€nderung und degradiert es zum "willenlosen ErfĂŒllungsgehilfen" skrupelloser Machtpolitiker und Geheimdienste des Westens.

    Du verwechselst eine kleine Minderheit mit dem Ganzen - nĂ€mlich die mehrheitlich studentische Jugend, welche (grösstenteils mit ehrenwerten Motiven) auf dem Maidan demonstrierte. Und auch diese Letztere muss sich - genau gleich wie bei uns die Achtrundsechziger - die Frage gefallen lassen, inwieweit sie sich allenfalls von fremden MĂ€chten haben instrumentalisieren lassen. Wir haben damals ja jeglichen Vorwurf möglicher sowjetischer Einflussnahme ins LĂ€cherliche gezogen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das auch nicht ganz so einfach war. BezĂŒglich Maidan-Jugend habe ich neulich einen mir glaubwĂŒrdig scheinenden Bericht gelesen, wonach die USA sich ihre Agitation ganze acht Milliarden Dollar hĂ€tten kosten lassen und Leute zum Teil auch relativ schamlos schlicht gekauft hĂ€tten.

    Jede BeschrĂ€nkung der Herleitung dieses Konflikts aus der reinen aussenpolitischen Lage blendet leider die Methoden aus, mit der die russische StaatsfĂŒhrung ihre Macht spĂ€testens seit der ersten PrĂ€sidentschaft Putins ausbaut und die sich nahtlos an die Methoden anschliesst, mit denen er an die Macht kam (angefangen mit der Kollaboration mit irgendwelchen Gangstersyndikaten in seiner Zeit in St.Petersburg). Wir haben es hier mit einem eiskalten, m.E. komplett skrupel- und gewissenlosen Machtmenschen zu tun, der dabei Ă€usserst geschickt agiert und dem es - leider - gelungen ist, grosse Teile seines Volks mit "Brot und Spielen" sowie gleichzeitiger UnterdrĂŒckung ("Knute" und "Wurst" sagen sie glaub in Russland dazu) recht gefĂŒgig zu machen. M.E. ĂŒbrigens tschekistisches Verhalten wie aus dem Lehrbuch (und zwar nicht nur dem "Grundkurs KĂŒchenpychologie"). Und da ordnet sich der Überfall auf die Ukraine m.E. nahtlos ein - Ziel "Ausschalten, bevor es gefĂ€hrlich wird".

    Ich blende diesen Aspekt ja ĂŒberhaupt nicht aus und gebe dir ein StĂŒck weit auch recht. HĂ€tte Putin dieses Programm allerdings konsequent durchgezogen, und v.a. auch: hĂ€tte er 2014 die Gewalteskalation am Maidan selber geplant, so hĂ€tte er unmittelbar danach zuschlagen mĂŒssen, und zwar mit voller Wucht, wie es 1968 in der CSSR und zuvor in der DDR und in Ungarn vorexerziert worden war. Das wĂ€re damals wohl auch noch möglich gewesen.

  • BezĂŒglich Empirie im Hinblick auf Polen, Ungarn und DDR:

    Dass Ungarn und Polen im Hinblick "Demokratisierung" weiter waren als die "Zone", ist sicher fraglos richtig, widerlegt aber m.E. meine These keinesfalls. Genau, weil es den "Gegenentwurf" gab, musste die DDR-Regierung den Deckel besonders fest auf dem Topf halten. Und da hÀtten wir dann genau die Parallele zum aktuellen Vorgehen Putins gegen die Ukraine. Und nicht umsonst war es im Herbst das DDR-Regime, das als eines der ersten ins Wanken kam (was zugegebenermassen ohne die vorangegangene Liberalisierung in Ungarn nicht möglich gewesen wÀre).

    Zur geopolitischen Komponente: ich glaube, die blendet hier niemand aus - zumindest ich nicht. Ich - und mutmasslich mehrere andere hier - sind nur der Ansicht, dass sie zur Relativierung des Überfalls nicht tauglich ist, auch wenn sie sich fĂŒr entsprechende Narrative, die v.a. bei den rechts- und irgendwiepopulistischen Gruppierungen der Bauart Wagenknecht sehr beliebt sind, bestens eignen.

    Meine Meinung bezgl. dieses geopolitisch bedingten angenommenen Bedrohungsszenarios ist einfach, dass sich damit nich ganz andere Konflikte relativieren und - irgendwie - begrĂŒnden lassen, bei denen ich mir das wirklich nicht wĂŒnsche. Und das gilt auch fĂŒr diesen hier. Ich glaube, dass (hoffentlich) niemand mit einem weltoffenen pluralistischen und demokratischen Russland Probleme hĂ€tte. Nur ist genau das eine Illusion - und war es rĂŒckblickend zumindest seit 2000 auch immer. Und im Bezug darauf, dass man sich "bei uns" (zu) lange der Illusion hingegeben hat, es sei zumindest in AnsĂ€tzen irgendwie schon so, muss ich Dir leider Recht geben.

    Maidan: da werden wir uns nicht mehr einig - lass ich deshalb mal so stehen.

    Warum Putin nicht 2014 voll zuschlug: Möglicherweise, weil ihm seinerzeit die "Salamitaktik", erst die Krim und dann die Ostukraine zunannektieren, zielfĂŒhrender erschien. Ein offener Krieg ist eben selbst in einer weitgehend gleichgeschaltet-unterdrĂŒckten Gesellschaft nicht ganz ohne Risiko.... Daher ja auch die nicht offene Vorgehensweise (ich sags ja, einmal Tschekist, immer Tschekist...😉). Als sich die Ukraine durch die Annektionnen immer noch nicht vom eingeschlagenen Kurs abbringen liess, musste halt die "nĂ€chste Stufe" gezĂŒndet werden.

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