Gesellschaft: Gendergerechte Sprache

  • Michael

    Da muss ich dir leider widersprechen.

    Wenn ich mich über eine meiner Meinung nach sinnlose Sprachformulierung lustig mache, heisst das doch nicht automatisch, dass ich mich über Personen lustig mache.

    Schau mal: wenn mir irgendwo ein Mann mit Frauenkleidern entgegekommt oder auf einer Parkbank zwei Mädels rumknutschen, sollen sie das tun und das braucht mich auch nicht weiter zu interessieren.

    Wenn ich mich über Leute lustig mache (ja, das gibt es, z.B.:), dann

    - wenn sich Leute auf die Strasse kleben

    - wenn sich Leute nach dem Fussballmatch oder an einer Demo vermummen und sich danach wie Schimpansen vor der Fütterungszeit aufführen

    - wenn Leute für jeden Pipifazz auf die Strasse gehen

    - wenn sich zwei Bengel unterhalten und jedes vierte Wort "Hey Bro" ist...

    kann ich nun mal fast nicht anders.

    Dann mache ich mich nicht wegen ihrem Aussehen oder ihrer sexuellen Orientierungdarüber lustig, sondern wegen ihrem Benehmens. Und wer sich so benimmt, muss nun mal mit Gegenreaktionen rechnen. Für sein Aussehen und der sexuellen Orientierung kann niemand was dafür, hingegen für sein Verhalten sehr wohl (ausser er habe eine Behinderung).

    Ob du recht hast oder nicht... sagt dir gleich das Licht :)

  • Das Problem ist halt eben wie gesagt, dass du dich damit nicht nur über die Sprachformulierung lustig machst, sondern eben auch über die Betroffenen, die bei Anwendung der entsprechenden Wortwahl direkt gemeint sind.

    Die entsprechenden Begriffe werden nicht der ach so hippen Sprache wegen genutzt, sondern aus Respekt zu den damit angesprochenen Personen.

    Eine Meinung zu etwas zu haben oder sich über etwas lustig zu machen, sind am Ende des Tages zwei unterschiedliche Paar Schuhe.

  • Lustig machen tu ich mich nicht - aber die, die selber betroffen sind, sind entweder extremistisch geworden (siehe Beispiel in meinem Bekanntenkreis) oder möchten nicht aufgrund ihrer Situation im Mittelpunkt stehen.

    Ideologische Radikale, die zu 99,99% gar nicht selber betroffen sind, sorgen für den Unmut in der Bevölkerung. Wir wissen, dass das Thema polarisiert. Aber erst seit wenigen Jahren...

  • Dass bei diesem heiklen Thema Sarkasmus wohl nicht so angebracht ist, dem würde ich zustimmen - allerdings nicht ohne auch danach zu fragen, warum offenbar viele das Bedürfnis verspüren, sich dazu abfällig zu äussern. Dass Menschen, die zwischen die Stühle der üblichen Geschlechtszuschreibungen fallen, ihre Rechte einfordern, finde ich OK und begrüssenswert. Allerdings handelt es sich dabei um Minderheitenrechte, bei denen auch die Frage legitim ist, wie weit sie zu gehen haben. Beispiel: Gehbehinderte haben Anrecht auf selbständigen Zugang zu öV-Verbindungen - einmal pro Stunde; von einem Umbau des ganzen Systems, der die Bedürfnisse dieser Minderheit jenen der Mehrheit völlig gleichsetzen würde, ist nicht die Rede.

  • Naja, bei einem vereinfachten Zugang zum ÖV hat in vielen Fällen auch die übrige Kundschaft etwas davon. Persönlich würde ich jetzt Hochflurbusse den zum Standard gewordenen Plastikschüttelbechern auch vorziehen, aber schlussendlich ist ein bequemer Einstieg halt schon praktisch.

    Ähnlich ist es mit der gendergerechten Sprache. Sie macht die Anwendung an und für sich einfacher, weil eine einzige Neutralform eine männliche und weibliche Form ersetzt. Klar, das setzt voraus dass man sie auch entsprechend anwendet und eben keine Wortbasteleien mit Sternchen, Sprechpausen und Co. veranstaltet. Und ja, ich bin mir durchaus bewusst, dass sich nicht jedes deutsche Wort neutralisieren lässt. Es ist meines Erachtens auch gar nicht nötig wenn die Extremvertreter der Genderideologie - ich bezeichne sie in diesem Zusammenhang bewusst so - ein gewisses Verständnis für diesen Umstand aufbringen würden.

  • Mit dem Behig kann man das nicht vergleichen.

    1.) Wurde das per Volksabstimmung angenommen (zum Glück).

    2.) Haben alle etwas davon, niemand hat einen Nachteil.

    3.) Ermöglicht das gewissen Menschen den Zugang zu Selbstverständlichkeiten des Alltags (hier Benutzung des ÖVs).

    Das Behig polarisiert nicht, es hilft. Was haben Non-binäre Leute von der Gendrerei für einen allgemeinen Vorteil?

  • Ich achte jeweils recht penibel darauf, mindestens in öffentlich geäusserten schriftlichen Texten (wie hier) eine genderneutrale Form zu nutzen, auch wenn ich mich selber als recht heteronormativen Cis-Mann bezeichnen würde. Meine Formulierungen können von manchen durchaus als "radikal" gesehen werden, ich selber sehe sie halt als Versuch, möglichst all jene, die ich potenziell ansprechen möchte, einzuschliessen.

    Dabei geht es mir nicht darum, möglichst viele Gendersternchen in einem Satz unterzubringen oder Debatten um Begriffe wie "Köch:in" führen zu wollen. Wo es geht, formuliere ich Sätze aber so um, dass ich derartige Behelfsmassnahmen umschiffen kann. ("Lokpersonal" statt "Lokführer:in", "Hat irgendwer von euch…" statt "Hat irgendeiner von euch…") Das fordert durchaus Disziplin und mag mitunter als ideologisch taxiert werden können. Ich sehe es aber als respektvollen Beitrag an eine diverse, aufgeschlossene Gesellschaft, der ich so entgegen treten möchte, wie ich auch behandelt will. In der Praxis durchaus mit Erfolg.

    Wer das nicht tun will, soll es nicht tun. Ich verurteile niemand. Vielleicht bilde ich mir im stillen Kämmerchen meine Meinung, umgekehrt kann ich auch niemanden davon abhalten, das über mich zu tun.

  • Patrick: Ich habe das BehiG lediglich als Beispiel dafür herangezogen, dass Rechte von Minderheiten eben auch an Grenzen stossen. Dass das BehiG nicht polarisiert, da bin ich mir übrigens gar nicht mal so sicher. Vielleicht kann man zwar nicht gerade von Polarisierung reden, aber soweit ich mitbekommen habe, dürften diese ganzen Anforderungen bei öV-Planern schon den einen oder anderen Stossseufzer ausgelöst haben.

    Auch die binäre Mehrheit könnte von einer sinnvollen Umsetzung berechtigter Genderpostulate profitieren, jedenfalls wäre das durchaus die dahinterstehende Idee. So ist es für mich als Mann schon eine Erleichterungen, wenn die Zwänge der Männerrolle etwas aufgeweicht werden. (Das wissen wir allerdings schon seit einem halben Jahrhundert und nicht erst dank dem Genderfeminismus.)

  • 2.) Haben alle etwas davon, niemand hat einen Nachteil.

    Ausser dann, wenn es als Begründung vorgebracht wird, warum Bahnhöfe geschlossen werden müssen. Ob das dann in den einzelnen Fällen auch der Wahrheit entspricht, oder ob es sich lediglich um eine Ausrede/Lüge handelt, ist nicht geklärt.

  • Gübsensee, Mols und Grandgourt.


    Bei Gübsensee wurde auch noch eine flexiblere Gestaltung der Kreuzung oder so genannt (nach meiner Erfahrung halten die entsprechenden Züge auch noch, einfach ohne Fahrgasthalt). Dort ist die Absurdität, dass man die Station mangels Erschliessungsfunktion eigentlich gar nicht hätte ausbauen müssen. Trotzdem wurde das als Grund genannt.

  • Was haben Non-binäre Leute von der Gendrerei für einen allgemeinen Vorteil?

    Sie werden respektiert und berücksichtigt statt sprachlich ausgeschlossen.

    Das tut am Ende niemandem weh, es ist lediglich eine gewisse Umgewöhnung. Wenn Letztere ein Problem sein sollte, weshalb schreiben wir dann von einem Delfin, einem Foto oder einer Kassette? Wie gesagt, Sprache wandelt sich stetig.

  • Du kannst dir selber überlegen, ob du z.B. im Lokführerberuf gerne einen etwas höheren Anteil an nicht nur Männern haben möchtest. £Wenn du dann aber gleichzeitig in der Kommunikation permanent nur von "der Lokführer" sprichst, dann meinst du es wohl nicht sonderlich ernst. Ich habe schon erlebt, dass jemand im Gespräch mit einer Lokführerin gesagt hat "du als Lokführer". Da fühlt man sich dann schon nicht sehr ernstgenommen und das stört auch mich als nicht direkt betroffene Person.

    Ich versuche selber, Formulierungen zu verwenden, die niemanden unnötigerweise ausschliessen und andererseits nicht allzu umständlich sind.

    Es ist nicht schlimm, wenn man das mal nicht beachtet oder es vergessen geht. Aber es sollte eher die Regel als die Ausnahme werden.

    Wer immer noch glaubt, dass Wirtschaft wichtiger ist als Gesundheit, kann ja mal versuchen sein Geld zu zählen, während er die Luft anhält. - Eckart von Hirschhausen, Juli 2021

  • Du kannst dir selber überlegen, ob du z.B. im Lokführerberuf gerne einen etwas höheren Anteil an nicht nur Männern haben möchtest. £Wenn du dann aber gleichzeitig in der Kommunikation permanent nur von "der Lokführer" sprichst, dann meinst du es wohl nicht sonderlich ernst. Ich habe schon erlebt, dass jemand im Gespräch mit einer Lokführerin gesagt hat "du als Lokführer". Da fühlt man sich dann schon nicht sehr ernstgenommen und das stört auch mich als nicht direkt betroffene Person.

    Im Übrigen kenne ich auch SBB-Kolleginnen, die in so einem Fall auf darauf pfeifen und denen es schlicht egal ist. Es ist ihnen aber ebenfalls egal, wenn sie explizit in der weiblichen Form genannt oder in einer neutralen Form einfach schlicht nicht ausgeschlossen werden. Dann kann - so finde ich - auch ruhig die weibliche oder neutrale Form genutzt werden. ;)

  • Ich habe schon erlebt, dass jemand im Gespräch mit einer Lokführerin gesagt hat "du als Lokführer". Da fühlt man sich dann schon nicht sehr ernstgenommen und das stört auch mich als nicht direkt betroffene Person.

    Bist du denn sicher, dass a) die hier konkret angesprochene Person sich wirklich wegen der männlichen Form "nicht ernstgenommen fühlte" und/oder b) eine Mehrheit der Frauen dies so empfindet? Umfragen zeigen jedenfalls alle ein deutlich anderes Resultat - ein Beispiel von vielen: https://www.faz.net/aktuell/feuill…e-17355174.html

  • Zumindest in meinem Umfeld ist es nicht mehr so, dass man einfach akzeptiert, dass mit der männlichen Form alle gemeint sind. Es handelt sich um ein Umfeld von typischen früheren Männerdomänen.

    Ich verstehe auch nicht, weshalb man so viel Energie in diese Diskussion steckt, anstatt es einfach zu tun. Tut am Ende gar nicht weh sondern gut.

    Das ist wieder so eine 163°-Diskussion: Die Maiskörner im Topf beginnen bereits zu platzen. Es wird kaum gelingen, aus dem Popcorn wieder Mais zu machen. Und weshalb sollte man auch.

    Wer immer noch glaubt, dass Wirtschaft wichtiger ist als Gesundheit, kann ja mal versuchen sein Geld zu zählen, während er die Luft anhält. - Eckart von Hirschhausen, Juli 2021

  • Solange es lediglich um die altbekannten, kaum ernsthaft zurückweisbaren Forderungen von feministischer Seite geht, bin ich ganz bei dir. Geht es jedoch um die neue 'Genderideologie', so hängt eben schon noch einiges mehr dran und wird es entsprechend komplizierter.

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