Gesellschaft: Gendergerechte Sprache

  • Die Persiflage des "Genderns" ist nichts verbotenes. Und ein kürzlicher Besuch auf dem Stellenportal meiner Stadt hat bei mir leichten Brechreiz ausgelöst, denn zwischen den vielen Sternchen und Doppelpunkten konnte man kaum korrektes Deutsch finden. Mit so etwas Unleserlichem hätte man an meiner Kanti glatt eine Note 3 kassiert.

    Konstrukte wie "Männer und Männinnen" kann man sogar noch mehr ad absurdum führen mit "Frauen und Frauinnen". Linguistisch korrekter Aufbau, nur halt ein ziemlicher Mittelfinger für die neuen, selbsterkorenen Sprachüberwacherinnnen und Sprachüberwacher. Es ist übrigens auch nicht verboten diese Sprachüberwacherszene lächerlich zu machen. ;)

  • Erstaunlich, wie viele Leute, die seit spätestens Beginn der 90er mit kreativer Sprache von Hip-Hop über Comedy bis hin zu Werbung verbal alles auf den Kopf gestellt bekommen und sich als Erste noch nie so grenzenlos auszudrücken vermochten, wegen Gendern so in persönliche Gernzbereiche gelangen

    Schnittmenge gefühlt übrigens sehr gross mit Protagonisten, die umgangssprachlich gerne bei allen sich bietenden Gelegenheiten ihre Wortspielschenkelklopfer "zum Bleistift", "an und Pfirsch", "au Reservoir", "latürnich" "Schlepptop" oder "Tefilon" in die Runde schmeissen.

    Und wenn ich denke, wie viele Wörter heute normalster Allgemeingebrauch sind, die es vor 15/20/25 Jahren noch gar nicht gab, weil die benannten Dinge so noch nicht erfunden, resp. im breiten Handel erwerbbar waren, sowie all die Anglizismen, die sich über die letzten Jahre, gerade rund um die Digitalisierung, gegenüber dem deutschen Wort durchgesetzt haben (dass ich ez grad bitzli Stolz bin, dass ich im ganzen Text nur einen solchen verwendet habe!)

    Schön auch hier im Forum oft mitzulesen bei den Fachausdrücken, was unter schier juristischen Androhungen korrekt benannt werden soll, weil das dieses und jenes mitmeint oder ausschliesst, keine Verwirrung stifften soll usw

    Aber das Gendern!! 😉

  • Ich habe leider in meinem erweiterten Freundeskreis zwei ähnliche Beispiele gehabt. Eines war jemand, der auch "queer" ist und bei gemeinsamen Unternehmungen immer wieder in Frauenkleidern auftrat. Hatte ich seit Jahren nie Stress damit - ich frage ja auch nicht ihn, wie ich mich bei Treffen anziehen soll. Alles gut.

    Dann kamen die Gendrerei und der Virus. Seither sieht der Kamerad hinter jedem Baum einen AfD-Wähler, den es zu bekämpfen gilt, lässt keine Gelegenheit aus, gegen "Intolerante" zu hetzen, thematisiert ständig die "Querdenker" (mit einem e nach dem u) und treibt die Gendrerei auf die Spitze. In seinem Facebook-Profil verspürte ich richtig Hass gegen alles, was nicht so tickt wie er. Quintessenz: ich liess den Kontakt friedlich einschlafen. Jetzt wohnen wir eh 300km auseinander.

    Ich bin durchaus der Ansicht, dass Gendrerei ideologisch ist und die Leute spaltet. Sie ist in der Deutschen Sprache viel weiter verbreitet als in den anderen Sprachen, die ich so täglich lese (namentlich FR, EN, ES). Und ich bin froh, dass es bei uns in der Schweiz in amtlichen Schriften verboten ist. Die einzige Partei (und deren Jungableger), die das heuer in den Wahlwerbungen verwendet hat, bekommt nächsten Samstag garantiert keine Stimme von mir (ok, nicht nur deswegen).

    Anglizismen versuche ich übrigens auch zu vermeiden, habe aber von Berufes wegen bis letztes Jahr üblicherweise alles dienstliche auf Englisch kommunizieren müssen, sodass es aus Gewohnheit eben gelegentlich doch passiert.

  • Englisch macht das Gendern halt sehr einfach, da es für die meisten Personenbezeichnungen (z. B. Berufe) schlicht keine männlichen/weiblichen Formen gibt, also existiert das Problem, worüber bei der deutschen Sprache so heftig diskutiert wird, schlicht kaum. Bei den Pronomen lässt sich ein neutral gemeintes "he/she" problemlos durch "they" ersetzen, was auch seit Jahrhunderten so praktiziert wird. Darüber hinaus ist diese Form sogar noch kürzer. Auch so eine elegante Lösung bietet Deutsch nicht.

    Französisch ist da nicht so pflegeleicht, es ist sogar noch schlimmer als deutsch. Dort wird das üblicherweise nicht mit Sternchen oder Doppelpunkten, sondern mit Klammern gelöst (wobei es sicher beide Lösungen gibt). Die Klammern braucht es, weil sich die Anpassungen manchmal nicht ganz am Ende des Wortes befinden. So gibt es dann zum Beispiel "les étudiant(e)s". Die Lesbarkeit ist noch schlechter als bei den deutschen * und : und was weiss ich. Entsprechend entschied das französische Bildungsministerium vor einiger Zeit, dass an Schulen etc das generische Maskulinum zu verwenden ist, weil alles andere für Kinder, die gerade lesen lernen sowie für Legastheniker und andere Personen mit Leseschwäche lästig bis unzumutbar ist.

    Die Sternchen, Doppelpunkte und andere Dekorationen, die einen Versuch der Inklusion darstellen, sind zudem nicht behindertengerecht, schliessen also gewisse Personengruppen aus: Neben den erwähnten Personengruppen mit Leseschwäche betrifft dies vor allem Blinde und Sehbehinderte, die auf Screenreader und andere audiobasierte Unterstützung angewiesen sind. Diese Programme kommen mit Sternen und Doppelpunkten im Wortinneren oft nicht klar.

  • So gibt es dann zum Beispiel "les étudiant(e)s".

    Das ist aber nicht gendern, sondern die konservative Nennung von maskulin und feminin. In meiner ersten ID aus den 70ern stand ja auch bereits né(e) le...

    Gegendert wäre in Französich "les étudiant.e.s", mit dem Punkt, der die Funktion unseres Sterns oder Doppelpunktes zur Nennung aller Geschlechter übernimmt. Je nach Zeichensatz kann der Punkt auch in die Mitte der Zeile rutschen. Und wer nicht elle oder lui ist, ist im Französischen yel oder iel. Frei übersetzt nach Ueli Maurer.

  • Ich bin durchaus der Ansicht, dass Gendrerei ideologisch ist und die Leute spaltet. Sie ist ... bei uns in der Schweiz in amtlichen Schriften verboten.

    ich finde die Bemühungen, geschlechtergerecht zu schreiben, damit sich Männer und Frauen gleichermassen angesprochen fühlen können, wenn sie wollen, durchaus legitim. Das ist aber eben gerade nicht Gendern. Gendern halte ich für übertrieben. Die Broschüre des Bundes Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren finde ich dagegen mit Augenmass erstellt, und die Lesbarkeit der Texte bleibt erhalten.

  • Diese Programme kommen mit Sternen und Doppelpunkten im Wortinneren oft nicht klar.

    Im Internet komme ich seit der Erfindung der Browser-Erweiterung "Binnen-I be gone" sehr gut mit dem Quatsch klar (er ist dann nämlich weggefegt) - und im restlichen Leben werden halt Publikationen usw., die mir das Zeugs aufdrängen wollen, gekündigt oder ungelesen dem Altpapier übergeben.

  • ich finde die Bemühungen, geschlechtergerecht zu schreiben, damit sich Männer und Frauen gleichermassen angesprochen fühlen können, wenn sie wollen, durchaus legitim.

    Und ich finde es selbstverständlich. Ich schreibe ja auch seit Jahrzehnten "sehr geehrte Damen und Herren". Das hat aber, wie gesagt, mit dem Gegendere nichts zu tun.

    Da mich Sprachen generell interessieren, sehe ich halt den Unterschied zwischen Deutsch und dem Rest (meinem Rest). Auf die Spitze treibt es meines Erachtens die ÖBB mit ihrer Kund:innenkorrespondenz...

  • Die gendergerechte Sprache ist leider ein Thema, welches von allen Seiten völlig übertrieben behandelt wird.

    Ja, ich finde, es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft uns sowohl in der schriftlichen als auch in der mündlichen Sprache immer wieder überlegen müssen, wie wir die Sprache neuen, gesellschaftlichen Umständen anpassen können. Dazu gehört auch die Überlegung, wie aus historischer Entwicklung einseitig maskulin oder feminin definierte Bezeichnungen für Personengruppen an das jeweils andere Geschlecht angepasst werden können.

    Dennoch bin ich auch kein Freund des Gendersternchens und versuche deshalb, wenn immer möglich, dessen Einsatz zu verhindern mit geschlechtsneutralen Synonymen, Umformulierungen oder dem Nennen beider Geschlechtsformen.

    Bezüglich den Anglizismen gehöre ich nun mal zu jener Generation, die mit Smartphone, Computer und dem Internet aufwuchs, und somit zwingend mit der englischen Sprache in Berührung kam. So gehören Wörter wie actually, literally, etc. längst zum Umgangssprchlichen Wortschatz. Im schriftlichen aber gebrauche ich diese Anglizismen dann doch eher selten oder gar nicht.

  • Ist es eigentlich wichtig, dass wir uns über dieses Thema hier austauschen? Hat das hauptsächlich mit dem Schwerpunkt dieses Forums etwas zu tuen? Packt doch diese Diskussion in ein anders Forum (GENDER) hinein, da gehört es hin. Ich bin hier, um mich über Schweizer Eisenbahnen zu informieren, und daran Freude zu haben.

  • Wichtig ist es nicht, aber es geht hier um "Diskussionskultur" im Unterforum "Stammtisch". Stört nicht wirklich eine Diskussion über Schweizer Bahnen.

    Meine Meinung, ich bin da nicht Moderator.

  • Ja, ich mache nun einmal gerne solche Wortspielchen.

    Nein, es war keine politische Botschaft in „Fachmänner*innen“ versteckt. Weder in dieser noch in die andere Richtung.

    Trotzdem frage ich mich, ob irgendjemand, der irgendwie aus dem Rahmen fällt und deshalb schlechter behandelt wird, plötzlich besser behandelt wird, weil wir Worte nicht mehr brauchen dürfen und andere Worte anpassen?

    Ich bin der felsenfesten Überzeugung: wie wir miteinander umgehen, hängt von der Einstellung des / der Einzelnen ab. Alles andere wird längerfristig nicht ans Ziel führen und ist reine Kosmetik.

    Beste Grüsse, =weineggbahn=

  • Die Sternchen, Doppelpunkte und andere Dekorationen, die einen Versuch der Inklusion darstellen, sind zudem nicht behindertengerecht, schliessen also gewisse Personengruppen aus: Neben den erwähnten Personengruppen mit Leseschwäche betrifft dies vor allem Blinde und Sehbehinderte, die auf Screenreader und andere audiobasierte Unterstützung angewiesen sind. Diese Programme kommen mit Sternen und Doppelpunkten im Wortinneren oft nicht klar.

    Von den vielen Gründen, die hier gegen das Gendern vorgebracht wurden, ist dieser der Allerschlechteste, da sich dieser durch ein einfaches Update der entsprechenden Programme beheben lässt.

    Sprache befindet sich nun mal im Wandel, das war schon immer so. Und wenn wir uns in den nächsten Jahren auf "korrektes Gendern" einigen, dann sei es so. Ich persönlich habe kein Problem damit, finde aber, es sollte eine offizielle Form eingeführt werden, welche dem ganzen Wildwuchs mit verschiedenen Zeichen (Schrägstrich, Binnen-I, Genderstern, Doppelpunkt, Gender Gap (der übrigens explizit eingeführt wurde, weil damit auch Screenreader gut zurecht kommen)) Einhalt gebietet.

    Was mich mehr nervt als das Gendern, ist der grosse Fokus darauf von rechter Seite. Wie kann man sich von einem Genderstern so sehr gestört fühlen, dass man diesen zu einem Hauptthema im Wahlkampf machen kann? Lasst doch die Leute gendern wenn sie wollen - ihr müsst ja nicht mitmachen.

  • Ich selber sehe irgendwie absolut keinen Sinn in der Gendersprache, ausser dass es alles unnötig verkompliziert. Es ging bis anhin auch ohne...

    Vielleicht benutzen wir am besten für uns nur noch die Ausdrücke:

    - Personen

    - Leute

    - Menschen

    Denn auf Ausdrücke wie Personinnen, Leutinnen und Menschinnen ist bis jetzt noch keiner gekommen.

    Ich glaube wenn wir Leute in der Ost - Ukraine, im Gazastreifen, in Somalia oder Afghanistan fragen hat die Menschheit derzeit schwerwiegendere Probleme alles über die Verhunzung der Deutschen Sprache zu diskutieren.

    Jene, die Gendern als ihre Leidenschaft betrachten, dürfen das meinetwegen gerne tun. Aber bitte nicht diesen Murks anderen "aufzwingen". Sonst kommt irgendwann die Genderei bei den Tieren auch noch:

    Mein Nachbar hat einen Hund. - Mein(e) Nachbar/ -in hat einen Hund**Rüde**Hündin

    Mein Mitbewohner hat eine Katze. - Mein(e) Mitbewohner/ -in hat eine Katze**Kater** ähmm Kätzin oder Katzine?

    Da es ist bei Wasserschildkröten und Wellensittichen doch noch einfacher.

    Witzig wird es dann wenn der erste Genderroman veröffentlich werden sollte. Vermutlich müsste man ihn dann auf zwei Bände verteilen.

    Ob du recht hast oder nicht... sagt dir gleich das Licht :)

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