22.11.2023 - Bremsversagen SBBCI Güterzug am Simplon

Wäbi Ist es der Eisenbahnunfall von Braz 2010 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Braz_2010 ?

Ja

Zitat von el18

Chrigi

Ich kann dir mal ein paar Beispiele geben:

Die FLIRT Nordic nutzen in erster Linie die E-Bremse (auch wenn die HL abgesenkt wird). Fällt nun die E-Bremse aus und muss durch die pneumatische Bremse kompensiert werden (was automatisch passiert), verlängert sich der Bremsweg nur bei einer normalen Betriebsbremsung deutlich.

Gleiches kannst du bei einer Zahnradbahn bei der Talfahrt beobachten. Bei der Talfahrt wird elektrisch gebremst (entweder mit Rückgabe an die FL oder über Dachwiderstände). Fällt die E-Bremse aus, beschleunigt das Fahrzeug erstmal bis das Bremssystem II (Notbremse) das Fahrzeug abbremst. Bei den MVR GTW im steilsten Abschnitt sind das schnell einmal 10km/h welche du schneller wirst.

Bei einer Schnellbremsung hast du Verzögerungswerte die nicht überschritten werden dürfen/können. Ein Vectron hat eine E-Bremse von 150kN. Alles bis zur Grenze könnte somit noch pneumatisch eingebremst werden. Fällt nun die E-Bremse aus, verlängert sich der Bremsweg bis die pneumatische Bremse die E-Bremse kompensiert hat. Dies willst du im Notfall nicht und darum wird nicht mit der E-Bremse gebremst. Aus gleichem Grund wird ja die MG-Bremse auch nicht mehr angerechnet.

Die Vectron kann bis 240kN bremsen. Damit hältst du mit etwa 2000t am Bözberg die Geschwindigkeit, das mal um sichs vorzustellen.

Dann müsste man mit 500t Last bei nicht erfolgreicher Wirkungsbremsprobe 3km vor dem Simplontunnelausgang den Zug mit der elektrischen Bremse bis Iselle zum Stehen bringen?

Wohl kaum

Die Frage wäre idealerweise mit ja oder nein zu beantworten.

Dass der Zug südlich von Domodossola zum Stehen kam, werte ich als Hinweis, dass durchaus noch eine gewisse Bremskraft wirksam gewesen sein müsste. Da in der Talebene bei Domo ein Gefälle von ca. drei bis vier Promille vorliegt, konnte der Zug dort wohl nicht durch den Rollwiderstand zum Stillstand gebracht werden.

Nein, mit der elektrischen Bremse kann nicht bis zum Stillstand gebremst werden, da deren Funktionsprinzip bei Geschwindigkeiten nahe 0 nicht funktioniert.

Eine moderne Lok mit Asynchromotoren und 4-quadrantensteller könntest du mit voller Bremkraft anhalten. Wird aber nicht so gemacht aus anderen Gründen.

Wie würdest du in einer solchen Situation reagieren?

Ich glaube das kannst du nicht pauschal so fragen. Da spielen viele Faktoren mit rein, aber bis du bei 100 abspringst braucht es wohl einiges.

Das ist das was auch oben moch schon nervt, ich hoffe und denke die meisten Lokführer kennen ihre Loks und ihr Verhalten. Und wenn etwas ist wie das hier musst du in wenigen Sekunden/Minuten entscheiden und ander Diskutieren dann Tage lang was man ev machen hätte können.

Auch beim abspringen ist noch anderes als nur die Geschwindikeit entscheident. Wo soll ich zB abspringen wenn auf der einen Seite eine Stützmauer und auf der anderen Seite geht es runter. Das geht nicht.

Wie ist denn das in der Ausbildung? Diskutiert man da über die möglichen Reaktionen in solchen Situationen - oder lässt man es bleiben, weil im Ernstfall eh alles anders ist und die Lokführer ihre Loks und ihr Verhalten sowieso kennen?

Die Diskussion erinnert an die Szenen von „Sully“ mit der FAA…

Klar, wir diskutieren hier tagelang über hätte, könnte, sollte. Bei der Frage, die ich weiter oben schon mal eingebracht habe, geht es mir auch nicht um den Lokführer, und was er genau in diesem Fall getan hat. Es geht mir eher darum, etwas zur Diskussion über das Vorhandensein und die Funktionsweise der Notaustaster beizutragen.

Ich gehe davon aus, der Notaustaster ist unverzichtbar, weil man im Falle eines groben Fehlverhaltens der elektronischen Systeme diese so abschalten und mit dem technisch einfachsten bzw. bewährtestem System, der Druckluftbremse, bremsen kann. Für diese Anwendung ist es ausgeschlossen, dass die elektrische Bremse mitwirkt. Die zweite Anwendung ist dann, wenn der Lokführer sich wegen einer Gefahr von aussen, nicht wegen Problemen im Zug, in Sicherheit bringen will (i.d.Regel hinten in der Lok, nicht durch Abspringen) und so schnell und einfach wie möglich alle nötigen Massnahmen zum Anhalten einleiten muss. Hier wäre die elektrische Bremse vielleicht nützlich (Argumente pro und kontra haben wir gelesen), aber das Vorhandensein von zwei verschiedenen "Not"-Bedienelementen steigert wiederum die Gefahr, dass der Mensch im Notfall das falsche nimmt. Diese Gefahr wird man für die in Notfällen meist relativ geringen Vorteile der elektrischen Bremse nicht eingehen wollen.

Die folgende konkrete Frage kommt in den seltenen Fällen zum Tragen, wenn die Zeit bis zur möglich Katastrophe Minuten statt Sekunden dauert, und die elektrische Bremse einen grossen Nutzen hätte:

Kann der Notaustaster während der Fahrt wieder rausgenommen werden und können dann alle Systeme wieder eingeschaltet werden, um noch einen Versuch mit der elektrischen Bremse zu machen? Und das innert nützlicher Frist, ohne irgendwo im Maschinenraum Überbrückungsschalter zu aktivieren oder im 27ten Untermenü eines Bediengerätes einen Spezialmodus auszuwählen?

Zitat von TMMB-Erfinder

Kann der Notaustaster während der Fahrt wieder rausgenommen werden und können dann alle Systeme wieder eingeschaltet werden, um noch einen Versuch mit der elektrischen Bremse zu machen? Und das innert nützlicher Frist, ohne irgendwo im Maschinenraum Überbrückungsschalter zu aktivieren oder im 27ten Untermenü eines Bediengerätes einen Spezialmodus auszuwählen?

Ja.

In der Regel (kenne die Vectron nicht): Taster raus, Bügel hoch (dauert 10-20 Sekunden), Hauptschalter ein.

Mit bahnsinnigen Grüssen

Andy...

Zitat von Chrigi

Zitat von Andy

Wir sprechen hier ja von Schnellbremsungen, und aus den oben genannten Gründen (entweder wird die HL geöffnet oder elektrisch gebremst) geht nicht beides bzw. ist nicht zugelassen.

Im normalen Fahrbetrieb sieht es natürlich anders aus 👍

Mit bahnsinnigen Grüssen

Andy...

Andy

Ich komme jetzt da doch noch einmal darauf zurück: Mir ist schon klar, dass es nicht überall / immer zugelassen ist. Das ist ja genau der Punkt, den ich kritisiere. Ich habe aber hier jetzt immer noch kein schlaues Argument gefunden, warum das man das nicht machen könnte. Was an meiner Überlegung ist so falsch, dass man bei einer Schnellbremsung jedes verfügbare Bremsmittel nutzen sollte? Es geht doch darum eine Gefahr abzuwenden? (bspw. Kollision mit irgendeiner Art von Hindernis)

Gruss Chrigi

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Das Stichwort ist hier "sichere Traktionsabschaltung". Es ist der Fahrzeugzulasserin überlassen, wie diese sichere Traktionsabschjlatung realisiert wird. Entweder hat man eine Fahrzeugleittechnik zur Ansteuerung von Traktion und damit auch elektrischer Bremse, welche zum Sicherheits-Level der Zugbeeinflussung passt. Oder man spart sich den Aufwand ein sehr komplexes System mit einem Sicherheitsnachweis zu versehen, welches in der Regel mit Komponenten realisiert wird, welche aus Kostengründen nicht über ein solches Sicherheitslevel verfügen.

Da ist in der Regel die eingfachere Variante, dass einfach der Hauptschalter mit einer sicher angesteuerten Ausschaltung versehen wird. Zumal die elektrische Bremse für diesen Fall eh nur so weit angerechnet werden kann, als sie auch durch mechanisch wirkende Bremsmittel bei deren Ausfall substituiert werden kann. Denn die Schnellbremskurve der Zugbeeinflussung kann nicht fahrleitungsspannungs-abhängig sein, da die Fahrleitungsspannung der Traktionseinrichtung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zur Verfügung gestellt werden kann.

Ist bekannt, ob eine Verctron bei Betätigung des Not-Aus an der Zugspitze 3x rot signalisiert? Bei der Einfahrt in Domodossola war an dem Zug gemäss Video 3x weiss signalisiert.

Interessantere Frage: Kann jemand überschlagen, ob bei dem kurzen Zug die Lok mit funktionsfähiger elektrischer Bremse den Zug im Gefälle ohne weitere Bremsmittel in Beharrung hätte halten können oder ist das Zuggewicht dafür bereits zu gross?

So oder so reicht halt das Ansprechen der Schleifleistenüberwachung und die elektrische Bremse ist nicht mehr da. Das war hier aber gemäss Interview nicht das Problem.

Wie viele mit CH-Schleifleiste ausgerüstete Pantos haben diese Vectrons?

Laut einem Vectron kundigen Kollegen ist Beharrung eines solch kurzen Zuges im Gefälle am Simplon rein elektrisch kein Problem. CH-Panto haben sie nur einen.

Zitat von Dany

Ist bekannt, ob eine Verctron bei Betätigung des Not-Aus an der Zugspitze 3x rot signalisiert? Bei der Einfahrt in Domodossola war an dem Zug gemäss Video 3x weiss signalisiert.

Gemäss Bedienerhandbuch nicht 3x rot bzw. es ist nicht erwähnt, dass 3x rot aufgeblendet wird.

Mit bahnsinnigen Grüssen

Andy...