Hallo zusammen
Ich stelle im Moment im BFS eine aus meiner Sicht schlechte Tendenz fest:
Es wird etwas geschrieben und das wird dann von jemand anderem in irgendeiner Form zerrissen mit der Bemerkung das sei sinnlos oder anderweitig sinnfreien Kommetaren, wie das man das Geld hätte sparen können. Sehr oft sind die Bemerkungen extrem unqualifiziert und zeigen ein erhebliches Wissensdefizit auf (und das von jemandem, der sich offensichtlich stark mit der Bahn beschäftigt (da hier aktiv) und sicher auch vorgibt etwas davon zu verstehen. Oft könnte man einfach ein wenig denken und sich mal selber überlegen, weshalb es so ist und damit die Diskussion konstruktiv (und übrigens lehrreich!) anregen (wie das gewisse Schreiberlinge auch machen). Damit ihr seht, was ich meine:
- Die RhB wird von einem User als Deppenbahn hingestellt, weil sie im Schlittelgleis (Gleis 1, wenn ich mich recht erinnere) in Bergün angeblich die Fahrleitung nicht bis zum Prellbock ziehen wollte aus Kostengründen. Erstens wurde in der Zwischenzeit gezeigt, dass das nicht stimmt und zweitens gibt es Gründe für solche Vorhaben (ich habe mich auch schon mit solchen Fragen beschäftigt...): Hier wurde es bereits im Thread dann doch noch genannt: Ein Verladegleis. Ich kann euch sagen, dass innerhalb verschiedener Fachdienste verschiedene Interessen laufen und das dann Kosten senken kann (sonst kommt garantiert so ein cleveres Kerlchen im Bahnforum, das sagt, man hätte wieder Geld verschleudert): Der Gleisbau will einfach verladen können und nicht dauernd Fahrleitung schalten (weil das Zeit und Ausbildung) und damit Geld kostet. Fahrstrom sagt dir, wenn sie schon eine Abzweigung der Fahrleitung bauen müssen (mit Schalter und Abspannung und dem ganzen Klimbim), komme es auf die paar Meter auch nicht mehr an. Gleichzeitig sagt dir Bahnproduktion noch, dass sie eigentlich die Fahrleitung nicht brauchen, weil die Lok stets bergseitig stehe mit Ausnahme von Ersatzkompositionen. Da sparst du lieber die paar Meter, weil Gleisbau oft Zeit spart für das, dass ein Zug, der etwa drei Monate verkehrt, vielleicht einmal ausfällt. Wir müssen bei der Bahn dringend (!) aufhören jede Eventualität aufzufangen. Das bringt uns sonst an den Abrgrund oder darüber hinaus. Und noch etwas: Wenn man die Strategien der RhB im Infrastrukturbereich ansieht, dann hat das alles Hand und Fuss und ich kann euch sagen, dass ich selten so etwas konsequentes und nachhaltiges gesehen habe im Bereich der Bahninfrastruktur. Wer mir nicht glaubt, soll sich das Projekt des neuen Albulatunnels anschauen. Dort wurde gezeigt, dass man sehr clever plant.
- nächstes Beispiel: Re 456 der SZU. Hier wird geschrieben, die SZU werfe das Geld zum Fenster hinaus. Das ist doch einfach Bullshit (respektive könnte anders sein). Was ist, wenn die SZU dringend auf die Fahrzeuge angewiesen ist, weil vielleicht die Reserve der neuen Stadler-Fahrzeuge eben nicht ausreicht? Was ist, wenn bei den Re 456 nun einfach zur Erhaltung der Betriebssicherheit noch eine kleine Revision vorgesehen ist und man dringend Material braucht, weil man die Loks nicht abstellen kann. (bspw. Drehgestelle). Was ist, wenn bei den bestehenden Loks immer mehr Komponenten ausfallen und diese teuer repariert werden müssen (oder gar nicht mehr können). Wer schreit wohl am lautesten über das Missmanagement der Teppichetage, man hätte zu viel gespart, wenn der erste Zug deswegen ausfällt. Ich kenne auch aus der Infrastruktur ein Beispiel: Bei meinem alten Arbeitgeber fiel ein zum Ersatz vorgesehener Bahnübergang aus mit einem nicht mehr reparierbaren Defekt. (das Neubauprojekt lief bereits in vollem Gange) Eine andere Bahn musste mit einem Steuerungsteil aushelfen, damit man den Übergang noch ein paar Monate am leben erhalten konnte. Das Ausfallmaterial des alten Übergangs wurde dann der anderen Bahn gegeben soweit ich weiss. Hier geht es wohl um erheblich tiefere Summen, das Prinzip ist das gleiche und manchmal kann etwas vergleichsweise teures (hier eine betriebsfähige Lok) etwas noch teuereres verhindern. Bei der SOB hat auch niemand gekräht, als noch ein RBDe gekauft wurde, damit keine Lok mehr angemietet werden muss. Dabei ist es auch hier das gleiche mit dem möglichen Unterschied, dass man das Triebfahrzeug gar nicht betriebsfähig braucht und damit sogar noch Geld spart in der ganzen Rechnung.
- nächstes Beispiel: Umspannen der Loks in Bellinzona: Natürlich ist unglücklich, dass man kein Trasse oder kein Platz oder keine Weiche oder was auch immer hat. Allerdings muss man da jeweils auch die Randbedingungen sehen. Zu sagen, eine zusätzliche Weiche sei halt sei der Divisionalisierung ein 5-Jahres-Projekt ist doch Unsinn. Dazu muss man aber wissen, dass für eine Weiche auch ein Plangenehmigungsverfahren erstellt werden muss (dauert ca. ein halbes Jahr). Dieses muss dann noch bewilligt werden (dauert auch mindestens 4 Monate). Dann muss man die Arbeiten ausschreiben und zu guter letzt auch noch unter Betrieb bauen (sonst wird ja wieder gekräht). Dies verursacht wieder Mehraufwand und die Industrie hat vielleicht gar keine Kapazität zu bauen. Allenfalls wäre auch noch eine Vorabklärung nötig, ob das ganze überhaupt sinnvoll ist (und nein, die wird im BFS nicht zur Vernehmlassung gegeben). Wurde die Weiche doch noch gebaut und die Lok wird weggestellt, geht das Gejammer nämlich gleich weiter, wie unproduktiv es sei, einen Güterzug dafür extra anzuhalten und dann verliert er noch das Trasse und braucht eine Stunde länger. Vielleicht ist es sogar insgesamt günstiger die Re 4/4 mitlaufen zu lassen, weil man ja sowieso zu viel hat, wie hier etliche Beweisbilder aus Basel zeigen. Und ich kann euch sagen, diese Diskussion könnte ich gut abendfüllend gestalten, wenn ich denn wollte...
Hält man die oben beschriebenen Spielregeln nicht ein, lesen hier viele Leser, die eigentlich etwas interessantes wollen nur Schrott (und mindestens ich habe dafür keine Zeit; auffallen tut es mie, weil ich derzeit gerade etwa zwei Wochen BFS am nachlesen bin. Und ich kann euch etwas versichern: Bei der Bahn arbeiten auch heute noch an vielen Orten (und übrigens auch in vielen Führungsfunktionen) Leute, die schon etwas von ihrem Metier verstehen und das ist dann doch etwas mehr als gewisse User hier.
Lasst euch das mal durch den Kopf gehen und überlegt vielleicht, bevor ihr jemanden in den Senkel stellt.
Gerne lese ich hier auch weitere zustimmende (übrigens auch ablehnende) Beiträge. Dann sieht man vielleicht etwas zur Diskussionskultur der Zukunft des Bahnforums.
Gruss Chrigi