Politisch-gesellschaftliche Aspekte bei der Taufe von Dingen (aus: RABDe 500 ICN)

  • Fahrer Schwarz spielt wohl auf Alfred Escher an, dessen Denkmal vor dem Zürcher HB auch schon Anlass von Diskussionen war aufgrund der Verwicklung Eschers in den Sklavenhandel. Da finde ich allerdings, darf man seine Verdienste für die Schweizer Eisenbahnen durchaus höher gewichten.

    Also beim einen Mann werden dessen Verdienste "durchaus" höher gewichtet, beim anderen nicht (obwohl es bei ihm im freundlicherweise verlinkten, äusserst umfangreichen Wikipedia-Text von Auszeichnungen und Ehrungen und Ausdrücken aller Art wie "Weltkulturerbe" usw. nur so wimmelt)? Verstehe ich nicht.

    Und selbst wenn ich es verstünde: Soll die SBB/das BAV/das UVEK/der Bundesrat nun deiner/eurer Meinung nach ein internationales Expertengremium einberufen, der das Entnamsen aller "anstössigen" Züge (es kann sich ja nicht nur um einen/einzelne handeln, weil dies eine voreingenommene Sichtweise bedeuten würde) beurteilen müsste? Und wie hätten dabei die künstlerischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Leistungen einerseits und gewisse, nach heutigen Massstäben vielleicht umstrittene "Charakter"-Eigenschaften anderseits in die Waagschale zu fallen? Und was ist mit der Zeitepoche und den Umständen, in denen sich der/die Betroffene "versündigt" hätte?

    Ich habe leider keinen Kopfschüttel-Smiley zur Hand, also denkt ihn euch hier einfach.

  • Wenn man einen Zug "entnamst", dessen "Benamsung" vor 20 Jahren in Ordnung war, ist das was genau anderes als Cancel Culture?

    Oder hat man bei Adrien Wettach kürzlich etwas aufgedeckt, was damals noch nicht bekannt war?

  • Also beim einen Mann werden dessen Verdienste "durchaus" höher gewichtet, beim anderen nicht

    Nein, darum geht es nicht. Gegen Escher liegt nichts vergleichbar schwerwiegendes vor. Es gab lediglich Diskussionen, und diese drehten sich nicht um Alfreds Verdienste oder Missetaten, sondern um Verwicklungen seines Vaters Heinrich. Alfred für diese in eine Mitverantwortung zu nehmen wäre Sippenhaftung, was ich ganz klar ablehnen würde.

    Und selbst wenn ich es verstünde: Soll die SBB/das BAV/das UVEK/der Bundesrat nun deiner/eurer Meinung nach ein internationales Expertengremium einberufen, der das Entnamsen aller "anstössigen" Züge (es kann sich ja nicht nur um einen/einzelne handeln, weil dies eine voreingenommene Sichtweise bedeuten würde) beurteilen müsste?

    Nein, sollen sie nicht. Ich habe die Liste schon mal überflogen und bei ein paar Leuten näher hingeschaut. Der Fall ist völlig klar: Es geht um genau zwei Personen.

    Und wie hätten dabei die künstlerischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Leistungen einerseits und gewisse, nach heutigen Massstäben vielleicht umstrittene "Charakter"-Eigenschaften anderseits in die Waagschale zu fallen?

    Gar nicht. Das eine kann nicht mit dem anderen aufgewogen werden. Ich will auch keinesfalls die Erinnerung an die Verdienste dieser Personen auslöschen. Ich halte nur einfach diese Form der Würdigung für nicht mehr angebracht.

    Und was ist mit der Zeitepoche und den Umständen, in denen sich der/die Betroffene "versündigt" hätte?

    Keiner von uns kann wissen, wie er sich unter solchen Umständen verhalten hätte. Ich verurteile niemanden und kann mich nur wiederholen: Eine Auszeichnung und Würdigung als Vorbild, sei es durch Denkmäler, Strassennamen oder eben solche Widmungen, halte ich unter diesen Umständen für nicht mehr angebracht. That's all.

  • Fahrer Schwarz: Ich sehe, wir liegen weiterhin meilenweit auseinander - ich lasse es deshalb bei folgendem Designvorschlag bewenden: :)

    (Originalbild © Marcel Manhart mit antizipierter Genehmigung und in der Hoffnung auf Verständnis)

  • Schau, ich bin kein Freund von Cancel Culture, wirklich nicht. "Cancelled" suggeriert, dass etwas unterdrückt oder unter den Teppich gekehrt werden soll. Von mir aus soll offen über alles geredet werden dürfen. Ich sehe nur nicht ein, warum diese besondere Auszeichnung, die gerade mal 45 unserer verstorbenen Landsleute gewährt wird, unter entsprechenden Umständen nicht auch wieder zurückgenommen und jemand anderem verliehen werden können sollte. Streng genommen ist es ohnehin ungerecht, dass die einen ausgezeichnet werden und andere, die im Stillen vielleicht ebenso viel geleistet haben, nicht.

    Hier noch die Ausführungen der einschlägigen alten Tante zu Grock. Die Situation bei Le Corbusier scheint mir eigentlich ziemlich vergleichbar.

  • Canel Culture, nichts anderes ist diese ganze Geschichte...

    Damit machen wir weder die Geschichte besser noch sonst irgend etwas...

    Was wollen wir sonst gleich noch alles ausradieren?

    Freundlicher Gruss Luca
    SBB - BLS - RM = DC Bahner 8)

  • Besser als Dinge aus der Geschichte streichen zu wollen ist es in meinen Augen gezielt darüber zu sprechen und so ein Bewusstsein dafür bzw. eine entsprechende Achtsamkeit für die Zukunft zu schaffen.

    Wir können die Geschichte nicht ändern und Dinge werden nicht ungeschehen gemacht, Aussagen nicht nachträglich ungesagt nur weil man nicht darüber spricht. Ansonsten würde es wohl auch ziemlich leer in den Geschichtsbüchern und den 2. Weltkrieg hätte es demnach nie gegeben.

  • Da gebe ich dir absolut recht. Nur: Es gibt keinen Anspruch auf Berücksichtigung unter den 45 Auserwählten. Und es gibt jede Menge weitere Biographien, über die man ebenfalls reden müsste. Deshalb finde ich es schon etwas schräg, wenn jetzt so getan wird, als ob eine solche Titel-Aberkennung eine Auslöschung von Geschichte oder sonst irgendwas repressives wäre.

  • Was wollen wir sonst gleich noch alles ausradieren?

    Es spricht überhaupt niemand davon irgendetwas auszuradieren. Es wird lediglich darüber gesprochen, einen Zug umzubenennen, der nach einem Nazi-Sympathisanten benannt ist. Oder zumindest die Beschreibung innerhalb des Zuges entsprechend zu ergänzen.

    Einen Zug nach sich benannt zu haben ist eine Ehre, die man sich verdient haben sollte. Da passt nun halt die jetzt publik gewordene Nazi-Vergangenheit nicht so recht dazu.

  • Einen Zug nach sich benannt zu haben ist eine Ehre, die man sich verdient haben sollte. Da passt nun halt die jetzt publik gewordene Nazi-Vergangenheit nicht so recht dazu.

    Ich glaube kaum, dass eine der Persönlichkeiten nach welchen Züge Strassen und Plätze benannt worden sind, sich dieses zum Ziel gesetzt haben ;).

    Zudem wird hier wieder um eine Sache ein riesen Fass aufgemacht, welche den Nutzern der Örtlichkeiten und Zügen in der Regel egal sind. Mir persönlich wäre es egal, wenn der ICN der mich zur richtigen Zeit fahrplanmässig und pünktlich von A nach B bringen würde, Putin heisst. Besten Falls würde mir das ein Kopfschütteln entlocken.

    Gruss Beat

    Ich denke alles was ich schreibe, das Umgekehrte kann ich mir nicht leisten!
    Mein Blog

  • Schon verrückt, wie aus einem "Scheinbar" bereits eine Riesen-Diskussion mit 32(!) Beiträgen wird, die nicht wirklich mit dem Thema RABDe 500 zu tun haben. Zum Glück gibt es nicht plötzlich noch eine Veranstaltung zur Gleichberechtigung und Rollenbildern unter einem Titel, der das Wort "Gender" enthält.

    Wer immer noch glaubt, dass Wirtschaft wichtiger ist als Gesundheit, kann ja mal versuchen sein Geld zu zählen, während er die Luft anhält. - Eckart von Hirschhausen, Juli 2021

  • Ich empfinde das ganze so: Natürlich dürfen wir negative Aspekte in unserer Geschichte nicht einfach vergessen.

    Wenn man aber einen Zug nach jemandem tauft, oder eine Statue aufstellt, geht es aber weniger um ein „Sich mir der Geschichte beschäftigen“ sondern viel mehr ums glorifizieren dieser Person. Da finde ich es klar, dass man sich da schon überlegt, wem man diese Ehre erweist.

    In einem Museum sind diese Personen und ihre Werke natürlich auf jeden Fall immer noch zu zeigen - da kann man sich mit der Geschichte differenziert beschäftigen.

  • Nazi-Sympathisanten

    Mich deucht, dass damals manch einer ein "Nazi-Sympathisant" war... Vielleicht auch aus Selbstschutz? Denn was macht Heiri Schweizer, wenn Hitlers Armee in die Schweiz eingefallen wäre? Nicht jede:r hatte die Kraft, offen "dagegen" zu sein.

    Heute nun daraus den Menschen von damals einen Strick zu drehen, finde ich unangemessen. Man sollte schon das "Gesamtwerk" würdigen und dessen Bestandteile zueinander ins Verhältnis setzen.

    Wenn wir das nicht schaffen, würde Adolf Ogi ( * 1942 !! ) wohl nicht mehr zum Bundesrat gewählt. Denn er ist aus einer Familie, die den Namen "Adolf" damals mochte... Mutmassliche Nazi-Sympathisanten oder was? :rolleyes2

    Einmal editiert, zuletzt von Fgee (19. Mai 2023 10:06)

  • Da passt nun halt die jetzt publik gewordene Nazi-Vergangenheit nicht so recht dazu.

    Diese näheren Nazi Verbundenheit (habs nicht nachgelesen, wie viel davon wirklich stimmt und belastbar mit Fakten) rechtfertigt natürlich 80 Jahre später Leute als Persona-non-grata zu diffamieren.

    Würde man das bei jedem machen, wären die 20er bis 40er des letzten Jahrhunderts sehr leer. Denn damals hatte jeder, wirklich jeder der nicht einer Widerstandsgruppe angehörte eine Sympatie mit der vorherschenden Landesregierung des jeweiligen Landes. Egal ob 3. Reich, Franz, Eng, DK etc.

    Wenn mans dann genau nimmt, könntest du wohl 80% der Schweizer Einwohner damals auch gleich als Persona-non-grata definieren.

    Es war damals sehr salonfähig sich dem 3. Reich anzubiedern.

    Meiner Meinung nach sollte man schleunigst aufhören nach 80 Jahren die Moralkeule zu schwingen und es endlich mal als Teil unserer Geschichte zu akzeptieren.

    Denn diese wäää der ist Nazi, Namen gehört verbannt ist eben die vorher angemerkte Cancel Culture, ja nix leben lassen das ein Tolgen im Reinheft darstellen könnte.

  • Denn was macht Heiri Schweizer, wenn Hitlers Armee in die Schweiz eingefallen wäre?

    Der hatte nur Schwein, dass das 3. Reich vorher geplättet wurde.

    Hätte der Herr aus Braunau nicht den Fehler mit dem 2 Frontenkrieg gemacht, wären wird heute sicher eingegliedert im 3. Reich.

    Die Pläne zur Eingliederung beststanden schon und hätten 46 .. 47 umgesetzt werden sollen.

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